: Die neue Selbstjustiz
Hagener wartet noch auf passenden Kadi
Wer kennt es nicht? Freunde, Nachbarn oder sogar der oder die Liebste werden verhaltensauffällig. Sprich: Sie verhalten sich nicht so, wie wir das gern hätten. Ihr Verhalten ist aber nicht irre, sondern nur ein wenig oder gar nicht irre. Solche gefühlten Verhaltensauffälligkeiten führen zu sinnlosen Anzeigen oder zu Scheidungen, die es nicht gebraucht hätte. Grad schade, aber so doof sind wir Menschen, wir schaden uns gern selbst. So nimmt es nicht wunder, dass ein junger Hagener jüngst nicht recht glücklich war mit der Entscheidung einer Streife, ihm qua Trunkenheit den Führerschein abzunehmen. Die verhaltensauffälligen Bullen nervten den Mann, und so tickerte die dpa jetzt: „Verkehrssünder will weiterfahren ‚bis ein Richter entscheidet‘“. Brumm, brumm! Denn der Hagener Polente kam sein Auto „äußerst bekannt“ vor: „Gleich zweimal innerhalb weniger Tage“ geriet er „ins Visier der Polizei“. Als sie den Wagen anhielt, ertappte sie denselben 30-jährigen Fahrer, dessen plastifizierten Lappen sie eben noch wegen Blauseins am Lenker einkassiert hatte. Die amtliche Erklärung des Gesetzesbrechers, dass er so lange weiter am Steuer sein wolle, bis ein Kadi es sich anders überlege, zeugt darüber hinaus von einem tiefem und überaus profundem Verständnis der Gewaltenteilung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen