: Die neue Gelassenheit
Mit einem 3:0-Sieg gegen Schweden beginnt die Post-Klinsmann-Ära – mit einer offensiv spielenden Nationalmannschaft sowie dem entspannten und selbstbewussten Bundestrainer Joachim Löw
AUS GELSENKIRCHENANDREAS RÜTTENAUER
Nur einmal kurz tauchte Jürgen Klinsmann in der Arena von Gelsenkirchen auf. In einem Werbespot, der in der Pause auf dem Videowürfel gezeigt wurde, war es noch einmal zu sehen, jenes oft verspottete Grinsen, das zu WM-Zeiten zum sympathischen Lächeln umgedeutet worden war. Mehr Klinsmann war nicht an diesem ersten großen Abend von Joachim Löw als Bundestrainer. Kein einziges Mal nahm der neue Coach das Wort „super“ in den Mund, und auch beim Torjubel hielt sich Löw etwas zurück. Unter Löw wird vieles normaler werden, was unter Klinsmann als besonders galt. Deutschland hat 3:0 gegen Schweden gewonnen – für Löw war dieser Sieg die größte Selbstverständlichkeit. Klinsmann stand für das revolutionäre Umkrempeln des deutschen Fußballs – Löw ist der erste Regent nach dem Sieg des neuen Systems.
Dass er für Jürgen Klinsmann mehr war als ein Hütchenaufsteller, das hat der ehemalige Chef des beförderten Co-Trainers immer wieder betont. Miroslav Klose, der mit seinen zwei Toren am Mittwoch – das erste für Deutschland hatte Bernd Schneider erzielt – einmal mehr seine Ausnahmestellung im Sturm unter Beweis gestellt hat, meinte nach dem Spiel, dass sich so viel gar nicht geändert habe. Klinsmann und Löw hätten sich die Arbeit ohnehin immer gut aufgeteilt. Nur der Ton der Ansprache an die Mannschaft, der habe sich verändert. Löw sei „diplomatischer“ sagte Klose.
Bis auf die Neulinge Manuel Friedrich und Malik Fathi hatte Löw nur WM-Spieler nominiert. „Im Training haben wir noch einmal die Laufwege geprobt“, erläuterte Joachim Löw sein Tun vor dem Spiel. Nach der Partie fiel sein Fazit überaus positiv aus, vor allem wegen der in der ersten Hälfte auffälligen Dominanz auf dem Platz. Das Ensemble funktioniert. Auch ohne Sebastian Kehl, Christoph Metzelder, Robert Huth, Per Mertesacker, und auch ohne Michael Ballack tat die Nationalmannschaft das, was ihr vom Trainer vorgegeben worden war: Sie versuchte von Anfang an, das Geschehen zu bestimmen, offensiv zu spielen. Und genau das ist es ja, was der Bundestrainer schon als Co-Trainer immer wieder gepredigt hatte. Löw weiß, dass er sich auf seine Mannschaft verlassen kann. Dass Philipp Lahm nichts dagegen hat, auf der rechten Abwehrseite zu spielen. Auch dass das deutsche System ohne alleinunterhaltenden Spielmacher auskommt, ist seit dem Weltturnier, als sich Michael Ballack auf die Position vor der Abwehr hat zurückbeordern lassen, bekannt. „Eins haben wir diesmal nicht gemacht“, sagte Löw, „wir haben uns nicht speziell mit den Schweden beschäftigt.“ Nein, es klang keineswegs arrogant, was der Bundestrainer da sagte. Mit den Erfolgen im WM-Turnier ist es zur Gewissheit geworden: Die Deutschen, sie können es.
Dazu passt es ganz gut, dass der schwedische Trainer Lars Lagerbäck – der eine junge Mannschaft ohne die nach dem Rücktritt von Henrik Larsson verbliebenen Stars Fredrik Ljungberg und Zlatan Ibrahimovic aufgeboten hatte – nach der Niederlange ganz gelassen blieb. Eine tolle Erfahrung sei es für seine Spieler gewesen, gegen „eine der besten Mannschaften der Welt“ Erfahrungen sammeln zu dürfen. Gleich drei Mal wiederholte er das Kompliment an die deutsche Mannschaft und verabschiedete sich, ohne große Enttäuschung zu zeigen. Dass die Deutschen eine gute EM-Qualifikation spielen werden, davon geht Lagerbäck aus.
Die beginnt am 2. September mit dem Spiel gegen Irland in Stuttgart. Der Spielbeobachter und -analyst der Nationalmannschaft, Urs Siegenthaler, war am Mittwoch in Dublin und hat die Iren bei ihrer 0:4-Niederlage gegen die Niederlande beobachtet. „Wir werden uns intensiv mit dem Gegner beschäftigen“, kündigte Löw an. Ein Sieg gegen die Iren im Heimspiel ist eingeplant. Jetzt macht sich ein gelassen wirkender Löw an die Vorbereitung dieses Erfolgs: Wenn es gegen Schweden schon ohne große Beschäftigung mit dem System des Gegners funktioniert hat, was soll dann gegen ein Team schiefgehen, auf den die Nationalmannschaft mit der Siegenthaler’schen Akribie vorbereitet ist? Vielleicht ist Manuel Friedrich gegen Irland wieder im Kader. Der erste Nationalspieler von Mainz 05, der wie Malik Fathi sein Debüt im Nationaltrikot feiern durfte, spielte zum ersten Mal in einer Mannschaft, die von mehr als 50.000 Zuschauern unterstützt wurde, und zeigte sich beeindruckt von der Atmosphäre. „Ich hoffe“, sagte er, „dass wir diese Euphorie bis zur EM mitnehmen können und dann 2010 endlich Weltmeister werden.“ „Super!“, hätte Jürgen Klinsmann zu diesem Satz gesagt. Aber jetzt hat ja Joachim Löw das Sagen.