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■ Die meisten Italiener finden es wichtig, beim Euro gleich dabeizusein – die wenigsten wissen, warum eigentlichWas anfangen mit dem Zeug, das da kommen muß?

Die Veranstaltung hat, so Italiens Schatzminister Carlo Azeglio Ciampi, die „hohe Zustimmung der Italiener zu diesem Jahrtausendprojekt gezeigt“. Als „ziemlich lächerlich bis überflüssig“ schätzte sie dagegen der Politkommentator Giorgio Bocca ein: In der vielgesehenen Sonntagsnachmittag-Show „Domenica in“ durften die Italiener per Telefonwahl darüber abstimmen, welche Symbole den künfigen Euro-Münzen in Italien aufgeprägt werden sollen.

Gewonnen haben – „typisch für ein Land, das nicht recht weiß, was es mit dem Zeug anfangen soll“ (Bocca) – Gassenhauer wie das Colosseum (50 Prozent) für die 5-Cent-Münze, der Kopf der Venus von Botticelli (45) für die 50 Cent und der mit dem Dichterkranz geschmückte Kopf des Dante Alighieri (56) für die Zwei-Euro-Münze. Auf der Ein-Euro-Münze soll der „Homo vetruvianus“ des Leonardo da Vinci prangen. Mehr als eineinhalb Millionen Zuschauer beteiligten sich an der Abstimmung. „Italien im Euro-Fieber“, titelten die Zeitungen.

Tags danach aber gab es gleich wieder herbe Enttäuschungen für die Euro-Promoter: Nach neuesten Umfrageergebnissen finden zwar mehr als 80 Prozent aller Italiener, daß das Dabeisein in der ersten Euro-Gruppe „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“ ist, doch schon bei der Frage nach dem Warum finden nur noch knappe 30 Prozent eine Antwort. In der Rangfolge der drängendsten Probleme in der nahen Zukunft rangiert der Euro-Beitritt weit abgeschlagen hinter der Arbeitslosigkeit, der Sanierung des Gesundheitswesens, der Rentenreform sowie dem italienischen Abschneiden bei der Fußballweltmeisterschaft 1998. Umgekehrt taucht der Euro in der Rubrik „Befürchtungen“ aber weit oben auf: Weit mehr als die Hälfte der Befragten sieht „Gefahren“ fürs Land, allerdings auch hier nicht genauer artikulierte.

L'Espresso befürchtet selbst schon bei der Münzprägung „die erste symbolische Blamage“. Kein Wunder nach der Erfahrung der letzten Zeit: Um die Euro-Begeisterung anzuheizen, hatte Italien die soeben neu eingeführten 1.000-Lire-Münzen rückseitig mit einer Europa-Landkarte versehen – doch den Graphikern war entgangen, daß sich in Europa in den letzten zehn Jahren einiges getan hat, und so verwendeten sie eine Landkarte, bei der es noch zwei deutsche Staaten gab. Die gesamte Prägeauflage mußte wieder eingeschmolzen werden.

Die drolligen Vorfälle zeigen, daß auch im sonst europa-närrischen Italien die Frage, was man mit dem Euro denn soll, noch keineswegs auf dem Weg der Klärung ist. Zwar versucht die Regierung mit einer Anzeigenkampagne allerlei Begründungshilfen zu streuen, verteilen die Banken und viele Unternehmen Millionen von Merkheftchen, werden die Schulen zur „positiven Reflexion“ über die gemeinsame Europa-Währung angehalten. Doch auch das hilft offenbar noch nicht sehr viel – zumal auch für viele Experten die Vorteile des Euro für Italien keineswegs ausgemacht sind.

So brachte bei einer Fernseh-Show ein einfacher Reiseveranstalter drei leibhaftige Staatssekretäre total aus der Rolle, als er lapidar feststellte: „Italien hat in den letzten 30 Jahren nur dann einen Tourismus-Boom erlebt, wenn die Lira besonders schlecht zu Mark, Dollar und Yen stand. Wenn es nun keine Wechselkursschwankungen mehr gibt, wie sollen wir dann Besucher ins Land locken?“ Keine schlechte Frage, hängt die Ökonomie Italiens doch zu gut 15 Prozent vom Tourismus ab.

Der stellvertretende Ministerpräsident und Kulturminister Walter Veltroni verstand als erster und verfügte nun in einem spektakulären Entscheid, daß künftig die bisher allesamt nur vormittags geöffneten Museen zum großen Teil bis um 22 Uhr abends offen sein müssen, um dem Image der Besucherunfreundlichkeit gegenzusteuern „und uns des Euro würdig zu erweisen“. Ob das allerdings reichen wird, neue Millionen zahlender Gäste ins Land zu locken, scheint eher fraglich. „Der Euro könnte unser Tod sein“, barmt eindringlich ein Kommuniqué des Fremdenverkehrsverbandes.

Aber auch in anderen Branchen herrscht mittlerweile eher Kopfkratzen, wenn die Sprache auf den Euro kommt. Selbst in der größten Industrie, der Kfz- Produktion, ist man sich klar darüber, daß der Boom der letzten anderthalb Jahre – der mitgeholfen hat, die Staatsfinanzen eurotauglich zu sanieren – fast ausschließlich der Binnennachfrage zu verdanken ist: Die Regierung Prodi hat bis zu umgerechnet 3.000 Mark für den Kauf eines Neuwagens zugeschossen, sofern man einen Altwagen verschrottet. „Vom Ausland her sinkt die Nachfrage eher noch ab“, murrt ein Fiat-Exporteur, „und wenn im Laufe des Jahres die Wechselkurse endgültig festgeklopft werden, stehen wir vollends im Regen.“

Und so mäkeln denn auch die ersten schon wieder an der plebiszitären Auswahl der Münz-Symbole herum: Das Colosseum, merkt die linke Tageszeitung il manifesto an, sei ja nun wohl das Symbol für das Abschlachten Zehntausender Sklaven; die Venus von Botticelli wird von Feministinnen als sexistisch verunglimpft, und gegen den als Sprach-Einiger Italiens geltenden Dante Alighieri ziehen die Separatisten der oberitalienischen Liga Nord zu Felde. Der Italo-Euro hat, so scheint es, noch allerhand Klippen zu überwinden. Werner Raith, Rom

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