Die letzten Etappen der Spanienrundfahrt: Niederländischer Bergvogel
Robert Gesink ist der Letzte, der Alejandro Valverde den Sieg bei der Spanienrundfahrt noch streitig machen kann. Der junge Kletterspezialist ist allerdings ein Bruchpilot.
AVILA taz | Robert Gesink ist lang, dünn und ausdauernd. Die daraus resultierenden Qualitäten von guten Hebelverhältnissen, wenig Gewicht und kontinuierlicher Leistung haben den 23-jährigen Holländer auf den zweiten Platz des Vuelta-Klassements katapultiert. Er hat mit den routinierten Rundfahrern Ivan Basso und Cadel Evans nicht nur mitgehalten, er hat sie sogar distanziert. Selbst dem Gesamtführenden Alejandro Valverde nahm er in den Bergen ein paar Sekunden ab. Jetzt ist er der Einzige, der den Rundfahrttriumph des einst von dem Dopingarzt Eufemiano Fuentes versorgten Spaniers verhindern kann.
Überrascht hat Gesinks prächtige Performance nur bedingt. Der "Kondor von Varsseveld" wird von seinen Landsleuten schon lange als ein echtes Bergtalent angesehen. Jede Dekade bringt der Genpool der Flachländer einen exzellenten Bergfahrer hervor. In den 70er-Jahren war dies der ewige Tourzweite (sechsmal) Joop Zoetemelk, in den 80er-Jahren Peter Winnen, der in seiner Autobiografie plastisch, drastisch und nicht ohne Humor die Dopingpraxis in seinem Milieu beschrieb. In den 90er-Jahren war Gesinks heutiger Chef beim Team Rabobank, Erik Breukink, das Ass der Oranjes, wenn es ins Gebirge ging.
Anders als seine Vorgänger, die Doping entweder zugaben (Winnen), bei Kontrollen erwischt wurden (Zoetemelk mit Nandrolon bei der Tour 1979 und 1983) oder die Tour unter dem Vorwand einer Lebensmittelvergiftung verließen, um weiteren Untersuchungen zuvorzukommen (Breukink 1991), gilt Gesink nicht nur als das neue Gesicht des holländischen Radsports, sondern sogar als dessen sauberes. Bei großen Rennen reisen ihm Fans hinterher, die ihn schon als Kind Rennen gewinnen sahen und Stein und Bein schwören, dass ihr Kondor die Kordilleren nur mit erlaubten Mitteln überfliegt. Sie legen dabei eine protestantische Nachdrücklichkeit an den Tag, die sich von der wortreichen, irgendwann aber in Augenzwinkern übergehenden Argumentation unterscheidet, mit der angestammte Abruzzenbewohner ihren Danilo Di Luca in Schutz nehmen.
Es wäre zu schön, wenn die Oranjes ihren neuen Helden zu Recht feiern würden. Dass dessen Stern auch für weiter von Deich und Marsch entfernte Personen nicht schon ein paar Monate früher aufging, liegt an einer speziellen Eigenheit Gesinks: Der junge Mann sammelt Verbände. Auf der 5. Etappe der Tour de France stürzte er so unglücklich, dass er sich das linke Handgelenk brach. Er schaffte es noch bis ins Ziel, trat dann aber die Heimreise an. Nichts war es mit dem prestigeträchtigen Duell mit dem Luxemburger Andy Schleck um das weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers.
Auch in Spanien stürzte Gesink schwer. Während der 17. Etappe ist nach Aussage des Mannschaftsarztes von Rabobank, Gert Wielink, "ein Stück Robert Gesink auf dem Asphalt liegen geblieben". Gesink zog sich eine tiefe Fleischwunde im linken Knie zu, die mit acht Stichen genäht wurde. Mit einem Verband am Knie macht er weiter. "Ich will den Podiumsplatz unbedingt verteidigen. Dies ist das bisher wichtigste Ergebnis meiner Karriere", sagt er.
In seiner neuen Position fühlt er sich sogar schon so gefestigt, dass er Kopfnoten an ältere Fahrer verteilt. So schalt er den Attackefahrer Samuel Sanchez als unverantwortlich, weil der Spanier mit Vorliebe bei Abfahrten attackiert. "Das ist seine Entscheidung. Er gefährdet aber die anderen, die ihm mit vollem Risiko hinterherhetzen. Freunde macht er sich damit nicht", meinte er über den Mann, der ihm noch am ehesten seinen zweiten Platz nehmen kann. Robert Gesink kann nicht nur gut in den Bergen agieren. Auch das mediale Spiel beherrscht er schon. Im Hause Rabobank wächst ein Großer heran.
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