■ Die kurdische Partei Hadep darf in der Türkei kandidieren: Verfassungstreues Verfassungsgericht
Die Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts, die Teilnahme der prokurdischen Demokratischen Volkspartei (Hadep) an den für April geplanten Wahlen nicht zu verbieten, ist zwar kein Wechsel in der türkischen Kurdenpolitik. Sie zeigt aber, daß zumindest das Gericht die geltenden Gesetze noch ernst nimmt. Vural Savas, der eifernde Generalstaatsanwalt, wollte die Festnahme Abdullah Öcalans ausnutzen, um der bereits mit einem Verbotsantrag bedrohten Hadep vorzeitig den Todesstoß zu versetzen. Das hat das Verfassungsgericht abgelehnt. Das seit einem Monat laufende Verbotsverfahren geht zwar weiter, eine Gerichtsentscheidung darüber wird aber erst im Sommer, also nach den Wahlen, erwartet.
Hätte das Gericht die Hadep jetzt per einstweilige Anordnung von den Wahlen ausgeschlossen, wäre dies eine Vorwegnahme des endgültigen Verbots gewesen. Dafür jedoch war den Richtern die Beweislage zu dünn. Savas stützte sich auf angebliche Aussagen Öcalans, die dieser in seinen ersten Verhören gegenüber den Staatssicherheitsgericht-Staatsanwälten gemacht haben soll. Angeblich hat Apo bestätigt, daß die Hadep lediglich eine von der PKK gesteuerte Organisation sei. Da Savas diese angebliche Aussage zu diesem Zeitpunkt offiziell nicht verwenden darf, hatte er behauptet, die Hadep setze die kurdische Bevölkerung durch massive Gewaltanwendung unter Druck, für sie zu stimmen. Damit konnte er jedoch selbst das Verfassungsgericht nicht überzeugen – und die lehnten es ab, sich zu Handlangern seines durchsichtigen politischen Kalküls zu machen.
Offenbar fürchten das politische Establishment und ein Teil des Militärs, die Wahlen könnten im Südosten eine Demonstration prokurdischer Selbstbehauptung werden, wenn die Leute die Gelegenheit bekommen, die Hadep anzukreuzen. Bei den letzten Wahlen 1995 erreichte die Partei zwar landesweit nur knapp 4,5 Prozent. In einigen Zentren im Osten wurde sie jedoch von mehr als der Hälfte der Wahlberechtigten angekreuzt. Ecevit und den Militärs käme jetzt sicher ungelegen, wenn bei den bevorstehenden Wahlen, vielleicht auch als Reaktion auf den Öcalan- Prozeß, dieser Prozentsatz noch einmal ansteigt und in Diyarbakir, Batman, Mardin und Hakari die Hadep 60 bis 70 Prozent der Stimmen bekommt. Möglich, daß sie noch einen anderen Weg finden werden, um das zu verhindern – die ganz platte Lösung, die Partei einfach von den Wahlen auszuschließen, ist jedenfalls am Verfassungsgericht gescheitert. Jürgen Gottschlich
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