piwik no script img

■ Die kleine BreitseitePreisverfall beim Börsenverein

Darf eine Friedenspreisträgerin sich bis auf die Knochen blamieren? Darf sie geschmacklose Witze reißen? Darf sie den Börsenverein samt seines ehrwürdigen Friedenspreises in Mißkredit bringen? Strenggenommen, nein!

Und so hat Dany ganz fix gegen Annemarie unterschrieben, ohne groß nachzudenken. Das hat er jetzt angeblich nachgeholt und flugs die Fronten gewechselt! Dany ist jetzt doch für Annemarie, und zwar wegen Multikulti! Annemarie hat nämlich viel geleistet für das Verständnis der islamischen Kultur. Was sie schreibt, hat Hand und Fuß, aber leider plappert sie auch mal gerne dummes Zeugs wie „Rushdie könnte ich umbringen“. Das sagt sie aber nur in Gegenwart guter Freunde, und man darf einen solchen Satz keinesfalls als Verhängung einer Privat-Fatwa verstehen! Nein, Annemarie will dem iranischen Geheimdienst keine Konkurrenz machen. Sie kann keiner Fliege was zuleide tun! Außerdem hat sie sich ja korrigiert. Was soll die Empörung? Die Zahnpasta ist doch längst wieder in der Tube! Günter, Ralph und Lea haben Annemaries Witz „Rushdie – rush die!“ übelgenommen. Aber an den kann sie sich gar nicht mehr erinnern. Fest steht: Annemarie ist „ein gern gesehener Gast in totalitären islamischen Gottesstaaten wie dem Iran.“

Sie hat in Pakistan mit dem Diktator Zia ul Haq Tee getrunken und ihm Nachhilfestunden in islamischer Literatur gegeben. Jürgen findet Annemaries Historismus „gefährlich einseitig“ und politisch falsch. Gustav verteidigt dagegen die „große deutsche Tradition“ des „romantischen Orientalismus“ und hält die ganze Kampagne gegen Annemarie für einen fundamentalistischen Menschenrechtsuniversalimus. Hans erinnert an Johann Wolfgang, der es sich noch hätte erlauben können, mit dem Ayatollah Tee zu trinken!

Annemarie liest das alles nicht, weil sie dann längst „einen Nervenzusammenbruch hätte“! Unsereins aber wühlt sich leicht angeekelt durch die Verlautbarungen und stößt irgendwann in taz oder SZ erleichtert auf einen erstaunlich gut gelaunten Voltaire, der Annemarie zuruft: „Ich schätze zwar Ihre Meinung nicht, aber ich werde mein Leben daran setzen, daß Sie sie sagen dürfen!“ Schluß, aus! Kinder, bleibt tolerant!

Dem Börsenverein ist es gelungen, eine politisch naive Fachidiotin mit einem Preis aus ihrem Elfenbeinturm zu locken. Soll sie ihn kriegen, solange der iranische Geheimdienst Rushdie noch nicht erwischt hat. Was das Ganze mit Frieden zu tun hat, bedarf noch einer Erklärung – aber auch die wird sich finden lassen.

Auf den Eiertanz von Roman Herzog freue ich mich jetzt schon. Matthias Deutschmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen