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Archiv-Artikel

hamburger szene Die herrische Hand

Unmöglich, beim Radeln jemandem gekonnt auszuweichen. Immer die alte Geschichte: Will ich nach rechts, lenkt der andere auch dorthin, will er nach links, lenke auch ich dorthin, bis wir beide auf der Bremse stehen und gequält lächelnd aneinander vorbeieiern. Dabei hat’s mir ein Fahrradkurier neulich gezeigt: Pfeilgerade kam er auf mich zugeschossen und dirigierte mich mit einer herrischen Handbewegung an den Rand.

Der Weg war schmal und holprig, der Passant hörte mein Rad rasseln und drehte sich um. „Rechts“, rief ich – und er sprang nach rechts, wunderbar agil aus den Knien federnd. Leider hatte ich nicht mit dem Eigenleben meiner Hand gerechnet. Die legte den Lenker ebenfalls nach rechts und so hüpfte der Mann vor mir nach links, wieder so schön aus den Knien federnd. Und plötzlich, welcher Gedanke ritt mich da, oder nein, kein Gedanke: Es ist der Körper, der immer zuerst zieht, und der Gedanke, der das Vollzogene nur noch nachvollzieht. So begann meine Hand, was ich anfangs für ein Versehen hielt, willentlich weiterzutreiben. Noch ein Ruck am Lenker und noch einer und vor mir der Mann, links und rechts und wieder links, ganz erstaunlich seine tänzerischen Fähigkeiten. Als ich endlich an ihm vorüberfuhr, blickte ich in ein knallrotes Gesicht, ob von der Bewegung oder aus Wut, weiß ich nicht. Auch er blickte in ein knallrotes Gesicht. Weil sich jemand schämte, dass er von seiner Hand sich so hat hinreißen lassen. MAXIMILIAN PROBST