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Die große FahrraddemoDas Memory von der Sternfahrt

Hunderttausende strampeln bei der Fahrradsternfahrt zum Brandenburger Tor. Sie fordern bessere Radwege, genießen die Ruhe und das einmalige Gefühl, in der Mehrheit zu sein. Eine Typenübersicht.

Sie kommen: Rund 250.000 Fahrradfahrer erobern am Sonntag die Straßen von Berlin Bild: dpa

Renate Pollmeier, 68, Rentnerin: "Ich bin schon immer bei der Sternfahrt dabei. Seit 10 Jahren mit Hund. Denn ich fahre täglich mit dem Rad, wenn es das Wetter zulässt. Und im Sommerurlaub an der Ostsee. Berlin ist zwar mittlerweile teilweise ganz gut für Radfahrer, aber in Tegel ist es zum Beispiel noch sehr schlecht. Und am schlimmsten sind die Taxifahrer, die missachten uns Radler am meisten."

Die Fahrradsternfahrt

Ein Großteil der Berliner Straßen hat am Sonntag den Fahrradfahrern gehört. Rund 250 000 Radler nahmen nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) am Vormittag an der 32. Sternfahrt zum freiwilligen autofreien Sonntag teil. "Platte Reifen gab es schon, aber sonst lief alles gut", sagte die ADFC- Landesvorsitzende Sarah Stark. Auch habe niemand trotz der hochsommerlichen Temperaturen schlapp gemacht. "Wir fahren rund 13 Kilometer pro Stunde. Da kommt jeder mit", fügte sie hinzu.

Von 80 Startpunkten in Berlin und Brandenburg war es auf 17 Routen über zwei Autobahnabschnitte am frühen Morgen losgegangen. Gegen 14.30 Uhr erreichten sie das Ziel der Sternfahrt, das Umweltfestival am Brandenburger Tor. Autofahrer hatten es schwer, da zahlreiche Straßen im ganzen Stadtgebiet gesperrt werden mussten. So ging auf der A 115 (Avus) und der A 104 bis zum Mittag nichts mehr. "Beide Autobahnen sind gesperrt, bis der letzte Radler runter ist", sagte ein Polizeisprecher. Zu größeren Staus sei es aber bislang nicht gekommen. "Nur an den Auffahrten Messedamm oder Spanische Allee stehen einige rum".

Den weitesten Weg hatten die Radler, die am frühen Morgen im rund 170 Kilometer entfernten polnischen Stettin aufgebrochen waren. "Es gab eine langsame Gruppe, die startete nachts um 2.00 Uhr", sagte Berlins Fahrradbeauftragter Benno Koch. Er selbst habe die schnelle Tour von 6.00 Uhr an gewählt. Fast pünktlich um 14.30 Uhr traf seine Gruppe am Brandenburger Tor ein. "Mit Tempo 40 ging es durch Berlin. Das war schon ein Erlebnis", fügte er hinzu.

Insgesamt kam es in Berlin trotz der zahlreichen Drahtesel kaum zu Staus. Die meisten Berliner waren rechtzeitig auf Busse und Bahnen umgestiegen. Schließlich wurde dies durch verbilligte Fahrscheine belohnt. So galten unter anderem Einzeltickets in der Tarifzone AB als Tageskarten.

Robert Kanis, 21, Azubi: "Es ist ein starkes Gefühl, mit so vielen anderen unterwegs zu sein - und alle Autofahrer sind sauer. Die U-Bahn nehm ich nur, wenn es sein muss. Zum Beispiel neulich, als ich mir die Hand gebrochen hatte. Normalerweise bin ich mit dem Mountainbike unterwegs, das ist es schön schnell. Aber heute geht es ja eher gemütlich zu, deshalb hab ich mir den passenden Chopper ausgeliehen."

Hans-Jürgen Schmitt, 46, selbständig: "Das ist nur meine Stadtgurke. Die hat nur zwei GPS-Geräte. Eins zur Navigation, das andere, um im Internet nach Bahnfahrplänen zu suchen. Seit 38 Jahren bastel ich Räder zusammen. Mein neues werde ich leider erst im August fertig gebaut haben. Die Teile dafür kosten rund 6.000 Euro. Das hat dann Blinker, Bremslicht, Digital-TV und einen Golfkoffer."

Stefan Dettmann, 41, Callcenteragent: "Mein Rad heißt Herbert. Wir kennen uns schon länger. Deshalb kriegt der stets gute neue Sachen. Dieses Jahr allein vorn schon drei Schläuche. Bei der Sternfahrt bin ich, weil mir Bewegung ganz gut tut. Außerdem genieße ich die Chance, die Straße ohne Autos zu nutzen. Ich radel sonst täglich zur Arbeit, aber nur, wenn es wärmer als 15 Grad ist und nicht regnet."

Susanne Fischer, 53, Physiotherapeutin: "Die Sternfahrt ist meine erste Chance, Berlin per Rad kennenzulernen. Ich bin gerade vom Land hergezogen und habe festgestellt, dass ich hier aufmerksamer fahren muss. Eigentlich bin ich kein Demotyp. Aber dass ich heute hier bin, das passt ganz gut zu meinem Neuanfang in der Stadt. Es ist toll, in einer Gruppe eine Aussage für die Umwelt zu treffen."

Christine Hohmeyer, 39, Lehrerin: "Fast täglich bin ich mit meiner großen Tochter auf dem Rad unterwegs - ich auf der Straße und sie auf dem Bürgersteig. Allein würde ich sie auf keinen Fall Rad fahren lassen, jedenfalls nicht, bevor sie 10 Jahre alt ist. Denn Berlin ist für Radfahrer immer noch schlecht. Viele Radwege sind unterbrochen. Oder man wird wie am Innsbrucker Platz mitten in den Verkehr gelenkt."

Werner Hecht, 72, Rentner: "Früher bin ich zur Arbeit geradelt. Heute mache ich etwa drei Touren pro Monat mit der Gruppe ,Zahnrad'. Das sind fast alles ältere Herrschaften, die schon mal 70 Kilometer am Tag fahren. Ein paar von denen hab ich hier schon getroffen. Diese Rad hab ich mir extra für die weiten Strecken gekauft. Es ist bequemer als mein altes, das ich jetzt nur noch unter der Woche benutze."

Alex Hänel, 21, Student: "Hier kommt das demonstrative mit dem hedonistischen Element zusammen. Denn mit Rad macht Demonstrieren einfach mehr Spaß. Deshalb hab ich mir das Lastenfahrrad von einem Nachbarn ausgeliehen und mit den Boxen bestückt. Die Straßen gehören nicht nur den Autos. Es ist gut, dass es mittlerweile Fahrradspuren gibt, aber das muss noch ausgebaut werden."

Susanne Franzmeyer, 30, Redaktionsassistentin: "Ich war früher schon mit meinen Eltern bei der Sternfahrt. Heute bin ich mit meinem Bruder gekommen. Das ist fast schon Familientradition. Für mich ist die Teilnahme ein politisches Statement. Denn viele Radwege sind holpriger als Straße oder Bürgersteig. Außerdem kann man zeigen, wie ruhig Radverkehr für die Anwohner sein kann ohne Autolärm."

Siegfried Lewerenz, 53, Medienberater: "Die Sternfahrt macht Spaß, weil man Ecken von Berlin kennenlernt, in denen ich noch nie war. Zur Arbeit fahr ich mit dem Auto oder den Öffentlichen. Denn ich muss Anzug trage. Das Transpirieren nach der 30-Kilometer-Strecke kann ich mir nicht leisten. Aber mein Treckingrad ist geil. Genau die richtige Mischung aus Rennhaltung und bequem."

Lucas Mantei, 36, Elektronikentwickler: "Das Liegerad ist bequemer für lange Touren. Da ist nach 150 Kilometern der Hintern nicht wund. Heute fahr ich aber meist nur noch die fünf Kilometer zur Kita. Den Kinderanhänger merkt man ganz schön, wegen des Gewichts und des Luftwiderstands. Die Sternfahrt ist für mich ein schöner Ausflug. Und man kann endlich mal zeigen, wer alles so Rad fährt."

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