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Archiv-Artikel

Die globalisierte Familie

Zwei Familienbetriebe: Grohe verkaufte an Investoren. Dorma versucht im Ennepetal am Weltmarkt zu bestehen

ENNEPETAL/HEMER taz ■ „Wenn man einmal da ist, geht man so schnell nicht weg“, sagt Karl-Rudolf Mankel von der Dorma-Firmengruppe. Mehr als 60 Tochtergesellschaften in 44 Ländern mit 6.000 Mitarbeiter und 700 Millionen Euro Umsatz werden von Ennepetal aus koordiniert. Karl-Rudolf Mankel ist oberster und einziger Repräsentant des Familienunternehmens. Eine glückliche Fügung hat ihn zum Alleinerben des Unternehmen gemacht, das sein Großvater vor 100 Jahren gründete.

Um die Tagesgeschäfte beim Hersteller für Türen- und Schließtechnik aber kümmert sich Michael Schädlich. Er kennt den Unterschied zum Großkonzern aus eigener Erfahrung. Das Familienunternehmen sei überschaubarer: „Wenn wir zusammensitzen, können wir schneller Entscheidungen treffen, als in einem Großkonzern mit seinen vielen Gremien.“ Dazu komme die persönliche Nähe: „Wir sind groß genug, um professionell arbeiten zu können, aber nicht so groß, dass man nicht noch alle wichtigen Mitarbeiter mit Namen kennt“, sagt Michael Schädlich. Doch die Globalisierung habe auch die Ennepetaler Firmenwelt erfasst.

Seit den 70er Jahren expandiert das Unternehmen vor allem im Ausland. Nur 28 Prozent des Umsatzes werden noch in Deutschland erwirtschaftet, doch noch arbeiten hier 45 Prozent des Personals. Standorttreue heißt das im Ennepetal: „Wir versuchen, so lange wie möglich in Deutschland zu produzieren“, sagen Schädlich und Mankel: „Wir haben auch eine soziale Verantwortung.“ Die Belegschaft bekommt trotzdem den harten globalen Wettbewerb zu spüren: „Es gibt Weltgegenden, wo wir billiger produzieren können“, weiß Michael Schädlich. Und so wurde mit dem Betriebsrat längst ein Programm zur Kostensenkung und Lohnverzicht vereinbart – im Gegenzug investierte die Firma zehn Millionen Euro in den Standort. Während der Inhaber Mankel als klassischer Unternehmer den Löwenanteil vom Gewinn in der Firma lässt, schlägt Schädlich neoliberalere Töne an: Er fordert noch flexiblere Tarifverträge, niedrige Steuern und den Umbau des Sozialsystems – nur so würde auch künftig in Deutschland produziert.

Etwas südlicher in NRW ist es dafür zu spät. Die Menschen im sauerländischen Hemer glauben nicht mehr an Familienunternehmen. Am Ort saß Europas größter Anbieter von Sanitär-Armaturen. 1936 wurde das Unternehmen Grohe von Friedrich Grohe gegründet – bis 1999 eine Erfolgsgeschichte. Dann verkauften die Erben das Unternehmen für fast eine Milliarde Euro an die Fondsgesellschaft BC Partner und zogen sich in die Schweiz zurück. BC Partner reichte das Unternehmen an die amerikanische Texas Pacific Group (TPG) und Credit Suisse First Boston Private Equity (CSFB) weiter. Die zogen dann das Eigenkapital, das bei Grohe 1998 noch über 50 Prozent lag, aus dem Betrieb heraus. Schwesterwerke werden geschlossen und im Sauerland massiv Stellen abgebaut. Schließlich hatten die Unternehmensberater von McKinsey das Sagen. Sie schlugen die Verlagerung der Produktion ins günstigere China vor und einen Abbau von insgesamt 3.000 der 4.500 Stellen in Deutschland. Dank des Betriebsrats konnte die Schreckenszahl zwar auf knapp 1.000 Jobs abgemildert werden. Nur ein schwacher Trost – und für die Kommune bedeutet es allemal weniger Gewerbesteuer. Für ein Betriebsratsmitglied steht deshalb längst fest: „Das wir uns einst bei einem Familienunternehmen beworben haben, hat uns kein Stück geholfen.“ DESIRÉE LINDE/ SVEN PRANGE