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Archiv-Artikel

Die geheime Macht im Staat

„Die Linke“ im Visier des Verfassungsschutzes: Der Soziologe Stefan Wogawa dokumentiert den Fall des Bundestagsabgeordneten Bodo Ramelow

Die Beobachtung von Parteien im Allgemeinen und Abgeordneten im Besonderen durch den Verfassungsschutz hat in der Bundesrepublik eine lange Tradition: Bereits im Jahre 1953 observierte das Berliner Landesamt sowohl Abgeordnete von SPD wie CDU. Die Berliner FDP nahm zwei Jahre später erst gar keine neuen Mitglieder auf, die zuvor nicht geheimdienstlich überprüft worden waren. Ebenfalls seit Anfang der 1950er-Jahre wurden Kontakte von Bundestagsabgeordneten zu Vertretern östlicher Botschaften vom Kölner Bundesamt akribisch erfasst, wie Jahre danach herauskam. Später dann waren es die Grünen, über die Dossiers gefertigt wurden. Über die DKP und andere frühere kommunistische Splittergruppen ohnehin.

Die Beobachtung der PDS, heute Die Linke, steht somit in schöner Kontinuität. Kein Wunder also, dass es dabei auch Bodo Ramelow erwischt hat. Schließlich hat sich der ehemalige langjährige Gewerkschaftssekretär in Hessen und Thüringen schon früh gegen Berufsverbote engagiert, sich an der Friedensbewegung beteiligt, ist Erstunterzeichner etlicher sonstiger Erklärungen. Wenn so einer sich der PDS anschließt und für diese „roten Socken“ zunächst 1999 in den Thüringer Landtag gewählt wird und heute im Bundestag sitzt, ist das natürlich allemal verdächtig. Also hat der Thüringer Verfassungsschutz flugs eine Akte wegen seiner mutmaßlichen Kontakte zur DKP in den 1980er-Jahren im damaligen Westen angelegt.

Von 1996 bis 1999 soll gesammelt worden sein; damals war Ramelow noch Aufsichtsratsvorsitzender einer Erfurter Wohnungsgenossenschaft. Heraus kam die Sache im Januar 2003, da saß er schon ein paar Jahre im Landesparlament. Eine „Akte Ramelow“ gibt es auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz, Einträge bei diversen weiteren Landesämtern und irrtümlich für einige Zeit auch beim Militärischen Abschirmdienst. Dass Bodo Ramelow diese Beobachtung seiner Partei und seiner Person für rechtswidrig hält und Akteneinsichten verlangt, ist verständlich. Und deshalb klagt er seit Jahren weitgehend erfolglos gegen verschiedene Behörden und will notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof gehen.

Ein solches Begehren ist sehr schwer durchsetzbar; dauert Jahre und kostet unendlich viele Nerven und im Regelfall auch Prozessgelder. Denn Gesetzeslage hin oder her, die Behörden wehren sich tapfer gegen jeglichen Einblick in ihr Treiben, und dies nicht selten ohne Erfolg. Dies weiß jeder, der jemals Derartiges versucht hat. Ein Buch über die diversen Bemühungen eines Betroffenen auf Einsicht in seine geheimdienstlichen Unterlagen hätte also spannend sein können. Doch was macht der Autor Stefan Wogawa, Soziologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter der thüringischen Linksfraktion und freier Publizist, daraus? Jedenfalls keine übersichtliche und verständliche Aufarbeitung des schwierigen Versuches, dem Verfassungsschutz Zügel anzulegen. Somit auch keinen Leitfaden für andere, die ähnliche Probleme mit Verfassungsschutzbehörden haben und zumeist weniger Klagemacht als ein Abgeordneter.

Nein, Stefan Wogawa benutzt die Affäre zu einer Generalabrechnung mit den politischen Gegnern der PDS/Die Linke, allen voran die thüringischen CDU-Ministerpräsidenten und -Innenminister. Aber auch andere kriegen ordentlich ihr Fett weg. Selbst ein Ausflug in den als Verharmlosung klassifizierten thüringischen Rechtsradikalismus durch den dortigen Verfassungsschutz fehlt nicht. Soll ja so sein, doch bei diesem Thema hat das nichts zu suchen. Und dazwischen immer wieder eingestreut, die Stationen von Ramelows Akteneinsichtskampf gegen die Geheimen auf Landes- und Bundesebene. Die „Akte Ramelow“ dient ihm letztlich lediglich als Paketschnur, mit der er sein Kompendium mehr oder weniger sinnvoll zusammenzurrt, dies zudem in einer Sprache, die nicht selten fatal an den agitatorischen Stil der 1980er-Jahre erinnert.

Dass das ganze Büchlein ohne den Segen der Parteiführung entstanden sein kann, ist schwer zu glauben. Dagegen spricht allein schon das Vorwort von Oskar Lafontaine, der dabei auch gleich zum Rundumschlag gegen das umstrittene Luftsicherheitsgesetz, Pendlerpauschale und allgemeinen Sozialabbau ausholt. Weiter muss man eigentlich nicht lesen. Schade, hier wurde leichtfertig eine Chance vertan. OTTO DIEDERICHS

Stefan Wogawa: „Die Akte Ramelow. Ein Abgeordneter im Visier der Geheimdienste“. Karl Dietz Verlag, Berlin 2007, 183 Seiten, 9,90 Euro