: Die drei Damen vom Silbersee
Von Pistolenschießen bis Reiten: Am Samstag holt sich das deutsche Frauen-Fünfkampf-Team um Trainerin Kim Raisner bei der WM in Berlin die Silbermedallie. Beste Athletin ist Lena Schöneborn. Sie gewinnt Silber in der Einzelwertung
Als Lena Schöneborn mit ihrem ausgelosten Pferd „Ready to Fly“ in das Stadion einreitet, ist es auf einmal ganz leise. Nach 72 Sekunden dann der Aufschrei des Publikums: Lena hat es geschafft – sie hat die zwölf Hindernisse ohne einen Abwurf bewältigt und ist damit zumindest vorübergehend auf dem ersten Platz. Die Zuschauer klopfen sich auf die Schultern und atmen tief durch. Vereinzelt sieht man sie schwarz-rot-goldene Fahnen über ihren Köpfen schwenken.
Am Samstag fand das Finale der Weltmeisterschaft im modernen Fünfkampf statt, und die deutschen Fans erlebten in Berlin ein kleines Wunder: Die deutsche Frauenmannschaft gewann an diesem Tag die Silbermedaille, und Lena Schöneborn belegte am Ende das Tages mit 5.584 Punkten den zweiten Platz in der Einzelwertung. 36 Sportlerinnen traten am Wochenende gegeneinander an, unter ihnen drei Deutsche. Neben der Wahlberlinerin Schöneborn qualifizierten sich auch Eva Trautmann aus Darmstadt und Janine Kohlmann aus Neuss für das Finale.
Bereits um sieben Uhr morgens begann der Wettkampftag mit seiner ersten Disziplin, dem Pistolenschießen. Eine Stunde später fochten die Athletinnen mit elektrischen Degen gegeneinander, mittags folgte die dritte Runde mit dem Schwimmwettkampf in 200 Meter Freistil. Der Zeitplan war straff, wollte man dem Heimspiel des Hertha BSC gegen den VfB Stuttgart am Nachmittag aus dem Weg gehen.
Dort im Olympiastadion feierten die Berliner Fußballfans den Heimsieg ihrer Mannschaft in großem Stil – das Grölen und die Gesänge hörte man dumpf und verzerrt auch noch im Reiterstadion, wo die letzten zwei Disziplinen des modernen Fünfkampfs ausgetragen wurden. Hier überzeugte die rund 3.000 Besucher vor allem die erst 16-jährige Janine Kohlmann, die bei der diesjährigen Weltmeisterschaft ihren ersten großen Wettkampf bestritt. Sie könne es kaum glauben, dass sie es tatsächlich geschafft habe, meint sie schüchtern. „Ich bin sehr zufrieden mit mir.“ Als „exzellente Reiterin“ lobt sie auch der Moderator, nachdem sie in fehlerfreien schnellen 67 Sekunden den Hindernisparcours auf ihrem Pferd „Rapido“ bewältigt hat. Nach dem 3.000-Meter-Lauf, der letzten Disziplin, belegt sie mit 5.240 Punkten Platz 24 und ist damit die zweitbeste deutsche Sportlerin dieser Weltmeisterschaft.
Lena Schöneborn startete als dritte Läuferin und überrundete ohne Probleme die bislang Zweitplatzierte Lucie Grolichova aus Tschechien. An die Französin Amélie Caze kam sie allerdings nicht mehr heran; sie ist mit einer Endpunktzahl von 5.600 die neue Weltmeisterin. Auf Platz drei landete Laura Asadauskaite aus Litauen, die sich während des Laufs von der 13. Position bis nach vorne durchkämpfte.
„Leider war ich etwas zu weit weg, um Amélie Caze noch überrunden zu können“, sagte Schöneborn. Aber trotzdem sei das ein super Wettkampf gewesen. „Im Schießen und Fechten lief es noch besser als bei der Europameisterschaft. Und ich hatte so viel Glück mit meinem Pferd, wir haben optimal zusammengepasst.“
Ihre Teamkollegin Eva Trautmann kam mit 5.020 Punkten auf den 32. Rang. In der Gesamtwertung erreichten die deutschen Athletinnen 15.844 Punkte, die Mannschaft aus Weißrussland zog mit 16.024 Punkten auf Platz eins, Rang drei belegten die Sportlerinnen aus Russland mit 15.704 Punkten.
Bundestrainerin Kim Raisner ist nach dem erfolgreichen Wettkampftag sehr zufrieden mit ihren Schützlingen: „Wir haben zwei Silbermedaillen geholt –was will man mehr?“
Die deutschen Fans empfingen Lena mit Sprechchören am Zieleinlauf. Als sie und die restlichen Sportlerinnen zu „Stand up for the Champions“ von Right Said Fred die Ziellinie überquerten, ehrte das stolze Publikum sie mit Standing Ovations – die Fußballfans von nebenan waren dann nicht mehr zu hören.
JULIA LANGENSIEPEN