■ Die anderen: Der "Figaro" und die "Financial Times" beurteilen Kohls Chancen nach der gescheiterten Steuerreform / Der "Standard" über den Kompromiß bei der Altersteilzeit / Die "Basler Zeitung" über den Volkentscheides der Drogenpolitik
Der konservative „Figaro“ aus Paris beurteilt Kohls Chancen nach der gescheiterten Steuerreform: Zwei politische Ereignisse haben Deutschland aus seiner Lethargie gerissen: die Verluste der Sozialdemokraten bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg und fünf Tage später der Bruch zwischen CDU/CSU und SPD in der Frage der großen Steuerreform, die Helmut Kohl am Herzen lag. Jetzt ist vom „Ende der Gewißheiten“ die Rede. Denn weder der Sieg der Opposition bei den Wahlen 1998 noch die Kanzlerkandidatur des populärsten Sozialdemokraten Gerhard Schröder scheinen nun so klar zu sein wie vorher. Kohl und Waigel werden aber noch die Verschlimmerung der Arbeitslosigkeit zu erklären haben und die hohen Steuern rechtfertigen müssen.
Die „Financial Times“ aus London schreibt zum gleichen Thema: Der Zusammenbruch der Verhandlungen zwischen der Regierung und der Opposition in Deutschland über ein weitreichendes Steuerrreformpaket wirft ein trauriges Licht auf die Fähigkeit dieses Landes zum Wandel. Es ist Tatsache, daß sich sowohl Helmut Kohl als auch die Sozialdemokraten zu unsicher fühlen, um eine Vereinbarung zu treffen. Sie manövrieren bereits im Vorfeld der Bundestagswahl im Oktober 1998. Es wirft aber kein gutes Licht auf beide Seiten, daß sie sich über dieses wichtigste Einzelthema der deutschen Politik nicht einigen können.
Der liberale österreichische „Standard“ schreibt über den Kompromiß bei der Altersteilzeit: Es ist beinahe eine historische Entscheidung. Zwar gilt die Einigung bisher nur für einen Tarifbezirk einer Gewerkschaft, sie hat aber Modellcharakter und wird wohl auf breiter Front nachvollzogen werden. Gleichzeitig haben die deutschen Sozialpartner nach langen und qualvollen Kämpfen wieder einmal gezeigt, daß sie in der Lage sind, anstehende Probleme mit sinnvollen Konzepten anzugehen. Da macht ein Blick auf die österreichische Lage beklommen. Die Situation ist nicht viel anders, eine Lösung aber nicht in Sicht. Die Wirtschaftskammer sieht sich obenauf und verweigert jeden Kompromiß, die Gewerkschaften scheinen zu schwach, um es ihren deutschen Kollegen nachzumachen.
Die „Basler Zeitung“ schreibt über das Ergebnis des Volksentscheides in der Schweiz über die liberale Drogenpolitik: Selbstverständlich wäre es besser, wenn in der Schweiz alle Erwachsenen und Jugendlichen ohne Drogen auskommen könnten. Mit diesem Ideal der suchtfreien Gesellschaft lockten die Initianten. Ihr Ziel wäre aber – wenn überhaupt – nur zu einem hohen Preis zu erreichen gewesen: unter Abschreibung eines Großteils jener Menschen, die sich bereits in den lebensgefährlichen Maschen der Sucht verstrickt haben.
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