■ Die anderen: Die „Neue Ruhr Zeitung“, die polnische „Rzeczpospolita“ und die tschechische“Lidové noviny“ über den Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 und über die Nato
Die „Neue Ruhr Zeitung“ aus Essen kommentiert den Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 und zeigt gleich im ersten Satz, dass es auch 60 Jahre danach nicht einfach ist, den richtigen Ton zu treffen: Was vor sechs Jahrzehnten begann, hat das Land der Täter möglicherweise stärker traumatisiert als die Opfer. Und wenn die offizielle Betroffenheit auch heute wieder übergroß sein wird, den langen Schatten werden die Redner nicht entkommen. Vielleicht wollen sie das auch gar nicht. Dieser Eindruck kann sich schon aufdrängen, wenn wieder die Rituale der Vergangenheits-Beschwörung zelebriert werden. Vielleicht liefert der fast ausschließlich rückwärts gewandte Umgang mit Juden in diesem Land Hinweise darauf, dass zwischen Anspruch und Realität tiefe Gräben klaffen können. Juden werden hofiert, aber sie bleiben „Mit“-Bürger. Bis 1933 waren sie selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. Ein Unterschied, zweifellos.
Die konservative polnische „Rzeczpospolita“ schreibt: Heute ist Deutschland der Staat, dem am meisten an der Integration Europas liegt. Im eigenem, aber auch in unserem Interesse. Doch zwischen dem deutschen Blick auf den Krieg und seine Folgen und dem, was die Länder sehen, die der Aggression zum Opfer fielen, liegt eine gewisse Dissonanz. Die jungen Deutschen sind der ständigen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg müde, sie wollen nicht, dass die Welt fortwährend auf diese Zeit pocht. Sie fragen, wie lange sie für die Schuld ihrer Väter büßen müssen. Für die Völker dagegen, die die Opfer des Nationalsozialismus wurden, ging der Krieg erst 1989 – mit der Befreiung von der sowjetischen Herrschaft – zu Ende. Erst damals begann man, die ganze Wahrheit über ihn zu sagen. Es ist nicht so, dass nur eine dieser beiden Haltungen eine Existenzberechtigung hat. Und sie erfordern gegenseitiges Verständnis. Das ist die Bedingung für Versöhnung.
Die konservativen tschechischen „Lidové noviny“ loben anlässlich des 60. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs originellerweise die Nato:
Wir hören manchmal, dass die Menschheit aus Katastrophen angeblich nichts lernt. Das stimmt nicht ganz. Die Erfahrung mit der nationalsozialistischen Aggression half der demokratischen Welt, Bedrohungen früh zu bekämpfen. Dass dem Zweiten Weltkrieg nicht ein noch blutigerer folgte und der Kalte Krieg kalt blieb, ist aber kein Verdienst der Friedensbewegungen. Wir verdanken dies in erster Linie der Besonnenheit der westlichen Allianz.
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