piwik no script img

Die absurde Revolution

DADA Friedrich von Borries persifliert die Protestbewegung

Kann sein, dass ihm die Idee während der letzten Berlin Biennale gekommen ist. Als deren Kurator die Occupy-Leute mitsamt ihrem wüsten Camping-Mobiliar in die Kunst-Werke gepackt und das als Kunst ausgestellt hat. Vielleicht wollte Friedrich von Borries wissen, wie offensichtlich bescheuert eine Behauptung sein kann, um vom Kunst- und Kulturbetrieb trotzdem ernst genommen zu werden.

Der Design-Professor, Architekt, Kurator, Autor vor Büchern über sozialistische Cowboys und deutsche Fertighäuser in Israel hat also – Eklektiker, der er ist – eine ganz neue Protestbewegung ausbaldowert und nach dem Helene-Hegemann-Mashup-Prinzip ein paar griffige Parolen zusammengesampelt: „RLF ist die neue antikapitalistische Bewegung! Wir überwinden den Kapitalismus durch Konsum!“ Motto: „Werde Shareholder der Revolution!“ Dazu gab es eine Buchveröffentlichung bei Suhrkamp, einen vergoldeten Ikea-Tisch in einer Exkirche und eine sexy Aktivistin mit osteuropäischem Akzent, Slavia, als Frontfrau der Bewegung. Von Borries hat das alles mit bemerkenswerter Konsequenz durchgezogen. Als Lohn der Ritterschlag: Von Leuten wie Thomas Steinfeld in der Süddeutschen Zeitung ernst genommen und als Bewegung abgelehnt zu werden.

Das war im vergangenen Sommer. Der Arte-Film ist ein bisschen spät. Er kommt als journalistische Reportage über die Bewegung daher, aber wer den Vorspann liest, erfährt, dass die „Künstlerische Gesamtleitung“ bei von Borries liegt. Der Design-Professor zelebriert seine Trittbrettfahrertechnik, mogelt sich zwischen die Protesterscheinungen der jüngeren Vergangenheit, fährt Wolfgang Kraushaar und Harald Welzer als Zeugen auf und scheut – man nenne es Chuzpe oder empöre sich – auch nicht davor zurück, den verstorbenen Stéphane Hessel für sein Späßchen zu vereinnahmen. Oder ist am Ende doch alles ernst gemeint? JENS MÜLLER

■ 23.10 Uhr, Arte „RLF: Kunstprotest aus Berlin“,