Die Zukunft des deutschen Fußballs: Armer Kerl, der Jogi
Nach dem Gewinn des Confed Cups und der U21-EM kann man den deutschen Bundestrainer nur bemitleiden – das Ausland ist jetzt richtig motiviert.
Das mit dem Mitleid für den Rest der Welt kam damals irgendwie nicht so gut an. Deshalb muss die restliche Welt gerade ganz ohne Mitleid auskommen. „Es tut mir leid für den Rest der Welt, aber wir werden in den nächsten Jahren nicht zu besiegen sein.“ Diese mitfühlenden Worte hatte einst Bundestrainer Franz Beckenbauer nach dem WM-Titel 1990 gewählt, um die rosarote Zukunft des deutschen Fußballs zu beschreiben, und sie wurden ihm in schöner Regelmäßigkeit um die Ohren gehauen.
Wieder wird in Deutschland in diesen Tagen die Zukunft des deutschen Fußballs in den allerschönsten Farbtönen gezeichnet. Und das Mitleid wird dieses Mal vorsorglich ganz allein über Bundestrainer Joachim Löw ausgeschüttet. Nach dem EM-Titelgewinn der deutschen U21 ging es schon los. Und nach dem gewonnenen Confed-Cup-Finale des deutschen Perspektivteams am Sonntag wollen die Beileidsbekundungen gar kein Ende mehr nehmen.
Armer Kerl, der Jogi. Die Expertenriege der Exfußballer ist sich einig. Der deutsche Fußball ist so verdammt gut, wie soll man unter so vielen hochbegabten Fußballern für die Weltmeisterschaft nächstes Jahr in Russland die besten 23 Spieler auswählen, ohne sich zu versündigen?
Die derzeitige Lobhudelei auf die Zukunftsfähigkeit des deutschen Fußballs ähnelt tatsächlich ein wenig der Stimmung nach dem WM-Titelgewinn 1990. „Jetzt sind wir (fast) alles“, titelte die Bild-Zeitung am Montag und versicherte: „Und das Beste kommt erst noch!“ Sinnierte Beckenbauer nach dem Finalsieg von 1990 noch darüber, wie die mit der Wiedervereinigung hinzugekommenen ostdeutschen Talente ins Weltmeisterteam integriert werden sollen, fragt man sich jetzt, wie viele Confed-Cup- und U21-EM-Gewinner ins Nationalteam eingegliedert werden können, das diesen Sommer größtenteils in den Urlaub geschickt wurde.
Die damalige und heutige schlichte Rechnung – Weltmeister plus noch mehr gute Fußballer ergeben Dauererfolge – muss eben nicht aufgehen.
Fundament für Zukunftsversprechen
Bemerkenswert am derzeitigen Hype um den deutschen Fußball ist vor allem, wie innerhalb von nur drei Wochen plötzlich scheinbar so tragfähige Prognosen für die kommende Dekade erstellt werden.
Vor dem Confed Cup hätte man noch mühelos eine Anstandsdebatte lostreten können, ob man trotz aller Geringschätzung dieses Turniers mit solch einem Verlegenheitskader, wie ihn Joachim Löw zusammengestellt hat, nicht auch die Konkurrenz sowie Gastgeber Russland brüskiere. Mittlerweile stehen Leon Goretzka, Lars Stindl und Timo Werner gefühlt unter Denkmalschutz. Der Confed Cup, dem man hierzulande zuvor jegliche Bedeutung abgesprochen hat, wird plötzlich zum Fundament für Zukunftsversprechen.
Der deutsche Fußball mag über 40 Profis verfügen, die auf sehr passablem Niveau spielen, sodass sie mittelklassige Teams wie Australien, Kamerun und Mexiko in Schach halten können. Aber das kann man auch von den B- und C-Teams aus Spanien und Frankreich erwarten. Und zugegeben, einen Sieg gegen die starken, aber in die Jahre gekommenen Chilenen hätte man dieser Perspektivmannschaft von Löw nicht zugetraut. Doch schon wenige Stunden nach dem Abpfiff ist bereits vergessen, wie eng es in dieser Partie gegen die so irrsinnig unökonomisch spielenden Südamerikanern zuging.
Man hat das deutsche Team im Vorfeld des Confed Cups viel zu schlechtgeredet. Bei genauerer Betrachtung war es pures Mitleid, was man Goretzka und Co. entgegenbrachte. Für die Motivation stellte sich das als sehr förderlich heraus. Dem Rest der Welt erging es gegen die unschlagbaren Deutschen einst auch so.
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