: Die Wohnungen des Herrn H.
Ein einschlägig vorbestrafter Bremer muss sich seit gestern vor dem Amtsgericht verantworten, weil er Frauen aus Osteuropa illegal eingeschleust und als Zwangsprostituierte abkassiert haben soll
von Jan Zier
Als erstes wird der Angeklagte zum Schweigen gebracht. Von seinem Verteidiger. „Sie sagen jetzt gar nichts“, herrscht Wilfried Behrend seinen Mandanten an. Und knufft Udo H. in die Seite. Herr H. ist ein gepflegter Mann von 62 Jahren, allein der Bierbauch trübt den Eindruck ein wenig. Als Beruf gibt er, nach einigem Zögern, „Hausverwalter“ an. Und da ist auch schon das Problem: In seinen zahlreichen Häusern in der Bremer Neustadt arbeiteten Prostituierte aus Osteuropa. Illegal eingereist. Ohne Arbeitserlaubnis. Seit gestern muss sich Herr H. vor dem Bremer Amtsgericht verantworten.
Von den Frauen soll er eine Tagesmiete von 50 Euro kassiert haben, persönlich und ohne Umweg über irgendwelche Zuhälter. In fünf Fällen, glaubt Amtsrichter Hans Ahlers, sei das auch nachweisbar. H. bestreitet das. Lediglich Wohnungen habe er vermietet, lässt er über seinen Anwalt ausrichten, „typische Modellwohnungen“, wie die Anklage schreibt. Als Hauptmieter nennt H. einen gewissen J., verfolgt wegen Menschenhandel und Zuhälterei.
Auch H. steht wegen dieser Delikte hier vor Gericht, nicht zum ersten Mal. Und schon einmal kassierte er für „gewerbsmäßiges Einschleusen in elf Fällen“ eine Bewährungsstrafe. Doch im vorliegenden Fall wird sich der Vorwurf der Zwangsprostitution kaum erhärten lassen, das weiß auch der Amtsrichter. Ein Nachweis „im engeren Sinne“ sei nicht möglich, windet er sich, weil die Frauen „nur wenig konkrete Angaben“ machen. Und überhaupt ist das mehr als vier Jahre her. Da bleibt allenfalls ein Verstoß gegen das Ausländerrecht übrig.
Und ein Verdacht, der Vorstrafe wegen. „Sie bewegen sich in einem problematischen Feld“, sagt Ahlers dann. Einen „Dunstkreis“ nennt das die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Betonend, dass H. 2002 ja „weitergemacht“ hat – obwohl seine Bewährung noch lief.
Doch solange nur Modellwohnungen vermietet werden, drückte auch die Polizei immer ein Auge zu. Und seit die EU osterweitert ist, dürfen sich auch Polinnen oder Lettinnen hierzulande ganz legal prostituieren. Russinnen oder BulgarInnen hingegen nicht. Aber was früher strafbar war, so hat der Bundesgerichtshof entschieden, bleibt auch weiterhin strafbar.
Die Frauen aus den Wohnungen des Herrn H. sollen einst mit wolkigen Hoffnungen auf das große Geld in den Westen gelockt worden sein. Einmal in Bremens Rotlichtmilieu angekommen, mussten sie alle Einnahmen abgeben, schreibt die Anklage. Außerdem 4.000 Euro „Schleusungskosten“ abarbeiten, bei drei bis fünf Freiern täglich. An ein Entkommen war dabei wohl nicht zu denken: Keine der Frauen soll einen Wohnungsschlüssel besessen haben. Die Güter des täglichen Bedarfs beschaffte der Zuhälter. Und die Hausmeisterarbeiten besorgte Udo H, sagt die Staatsanwaltschaft – und zwar „in Kenntnis der Umstände“.
Verteidiger Behrend kann an alledem nichts Strafbares finden, bietet deshalb großzügig eine Einstellung des Verfahrens an. Das Gericht sieht das anders – und stellt eine Bewährungsstrafe von 15 Monaten in Aussicht, wenn H. sich geständig zeigt. Doch der denkt gar nicht daran. „Ich habe niemals Geld von einer Frau bekommen. Und niemals in das Geschehen eingegriffen.“ So spricht einer, der sich als Opfer sieht: Die Zuhälter lasse man laufen. „Und ich bin übrig geblieben.“
H. will das Verfahren bis zum Ende ausfechten. „Wenn ich etwas mache, dann trage ich auch die Verantwortung“, sagt der Ostpreuße. Und sein Anwalt kündigt schon einmal an, „hunderte“ von ZeugInnen vorzuladen. Ihm kann das nur recht sein, allen Beteuerungen zum Trotz. Als Pflichtverteidiger bezahlt ihn zunächst einmal die Staatskasse.