Die Wochenvorschau von Bert Schulz: Theaterdonner, zweifach
Es ist ein bisschen still geworden um die beiden Herren, Granden in ihrer jeweiligen Disziplin, aber seit geraumer Zeit quasi auf dem Altenteil. Frank Castorf hat Anfang Juli 2017 seinen Posten an der Volksbühne geräumt, Klaus Wowereit war bereits Ende 2014 von seinem Job als Regierender Bürgermeister zurückgetreten.
Welch Zufall der Geschichte also, dass die beiden Mittsechziger ausgerechnet am Freitag dieser Woche aus der zeitweiligen – eher ungewollten – Versenkung auftauchen. Am Morgen jenes Tages erscheint Wowereits neues Buch; am frühen Abend wird Castorfs letzte große Volksbühnen-Inszenierung zum Auftakt des Theatertreffens noch einmal gezeigt, allerdings nicht an seinem alten Heimathaus, sondern im Haus der Berliner Festspiele.
Gut sieben Stunden dauert Castorfs „Faust“, Wowereits Buch trägt den trägen Titel „Sexy, aber nicht mehr so arm: mein Berlin“. Es dürfen also Wetten abgeschlossen werden, welches Werk mehr Längen hat. Und solche Anlässe sind natürlich Grund genug für weitere mediale Auftritte. Sicherlich nutzt Castorf den Rummel, um noch ein bisschen auf die Berliner Kulturpolitik einzudreschen. Schließlich war sein Nachfolger Chris Dercon vor wenigen Wochen nach einem nur recht kurzen Gastspiel an der Volksbühne schon wieder entlassen worden und hat ein inhaltlich wie finanziell ruiniertes Haus zurückgelassen. Angesichts der dortigen Lage – kein Geld, keine Inszenierungen, kein Ensemble mehr – könnte man fast die Befürchtung äußern, die einst weltbekannte Bühne hätte Potenzial, zu so etwas wie dem BER der Kultur zu werden.
Womit wir – praktischerweise – wieder bei Wowereit wären, der ja den echten BER so gerne eröffnet hätte als krönenden Abschluss seiner politischen Laufbahn. Stattdessen trug der Fluchhafen wesentlich zur – wenn auch verspäteten – harten Landung des SPD-Politikers als Privatier bei. Vielleicht äußert sich ja Wowereit aus Anlass seiner Buchpremiere mal endlich ausführlich zu diesem schwierigen Erbe?
Bis Freitag aber gehört die Woche nicht den alten Herren, sondern jenen dynamischen Menschen, die noch etwas erreichen und verändern wollen, in der Walpurgisnacht und am 1. Mai. Allein am Tag der Arbeit ist die Auswahl groß. Für eine bessere Welt lässt es sich mit dem DGB, den Hedonisten oder den Revolutionären demonstrieren.
Und wem die Berliner Stadtlandschaft nach dieser Woche genug Theater, aber nicht genügend Kunst geboten hat, sollte am Wochenende raus nach Brandenburg. Da sind die Tage der Offenen Ateliers: Insgesamt können Besucher über 500 Ateliers besichtigen, 750 Künstlern über die Schulter schauen – und dabei sicher die eine oder andere hübsche Ecke entdecken.
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