Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Taufe in der Bankfiliale, Hymnen auf die Mohns, und wer spielt mit den Evangelen?
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: ARD bettelt wg. Grand-Prix-Pleite bei Pro7 … statt wie alle anderen ne Staatsbürgschaft zu verlangen.
Was wird besser in dieser?
Zu Guttenberg erwägt Einstieg russischer Investorengruppe bei Ralf Siegel.
Köhler bleibt Bundespräsident. Eine Überraschung?
Eine Überraschung wäre, gelänge es Köhler im zweiten Durchgang, irgendetwas zu tun, was gegen die Abschaffung seines Amts spricht. Es fällt schwer zu glauben, wir fielen standrechtlich einem Kaiser oder gar Diktator anheim, wenn vorne kein Sparkassendirektor mehr festlich im Kreis schwurbelt. Die Deutschen streichen lieber anderen das Asylrecht aus der Verfassung als sich einen überbezahlten Gelegenheitsrhetoriker.
Am Sonntag geht der Evangelische Kirchentag in Bremen zu Ende. Ihre Bilanz?
Zwischen 60 Jahren BRD, 20 Jahren Vereinigung, Wolfsburg Deutscher Meister und Köhler-Casting gelang den Veranstaltern die fast perfekte Geheimhaltung. Offenkundig ist dem Kirchentag kein Thema, kein Bündnis mit einem drängenden gesellschaftlichen Anliegen gelungen. Das Kirchentagsmotto "Mensch, wo bist du ?" klingt wie die evangelische Übersetzung von "Will denn keiner mit mir spielen?" Vermutlich zu Recht.
Der Bund erhöht die Neuverschuldung um weitere 10,7 Milliarden auf 47,6 Milliarden Euro. Wo soll das enden?
Firmen wie Opel, HRE oder Commerzbank haben sich angeguckt, wie der Staat das macht: Der verspricht auch was von Kindergarten, Schule, Autobahn - aber natürlich mal mehr so grundsätzlich, da kann jetzt für das bisschen Steuern nicht jeder gleich ein eigenes Autobahnkreuz nach Hause bekommen. Ein überzeugendes Konzept, finden die Unternehmen, die sich bisher noch ein bisschen für Show mit sogenannten Produkten das Leben schwergemacht haben. Nunmehr möchten auch sie gleich ihre schiere Existenz prämiert haben, ohne noch lästig irgendwas herstellen zu müssen. Um die Verkirchensteuerung des Kapitalismus den Menschen behutsam beizubiegen, puffert der Altstaat das noch ein bisschen mit Krediten. Bald aber kann man sich in jeder Deutsche-Bank-Filiale taufen lassen.
Das Rennen um die Rettung von Opel ist eröffnet. Wer wird gewinnen?
Fiat ("Fix it again, Toni") hat schon Daimlers Gebrauchtwagnis Chrysler am Bein. Beide stehen für das Unterende der Qualitäts- und Prestigeskala, folglich werden sie langfristig gegen billige Angebote hochwertiger Autos aus Asien untergehen. Ripplewood will Kasse machen, eine Schachtelbeteiligung an GM ist nicht das, was Opel hilft. Bleibt das Magna/Sberbank-Konglomerat, einfach weil es nicht ganz so bizarr daherkommt wie die anderen.
Die Handelskonzerne Arcandor und Metro prüfen nun doch die Fusion ihrer Töchter Karstadt und Kaufhof. Gut so?
Wer schreibt eigentlich mal ne Lobeshymne auf die Mohns, die Zauberlehrling Middelhoff bei Bertelsmann schlicht rauswarfen, bevor er die Familienfirma in eine AG verwursten konnte? Middelhoffs nächstes Werk, die Arcandor, bettelt bereits um 650 Millionen Euro Staatsknete, und das auch nur, um einen bösen Fusionsschnitt zu finanzieren. Dass Manager mal so doof rumwursteln, dass man sich der wenigen verbliebenen Prinzipale erfreut, ist doch auch n Schlag.
Karl-Heinz Kurras arbeitete für die Stasi. Ändert das die Sicht auf die Ereignisse am 2. Juni?
Nein, das tut wie immer Bild lieber selber: "Gab Mielke den Schießbefehl?", versucht BamS den Mord schon mal hinter die Mauer outzusourcen. Das klingt schon nach Aussöhnung zwischen Bild und Stasi. Denn so schrieb Bild am 7. Februar 1968: "Man darf auch nicht die ganze Drecksarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen …" Das wurde verstanden, wenige Tage drauf schoss der nächste aufmerksame Leser Rudi Dutschke in den Kopf. Was hatten wir für ein Glück, dass die Mielkes und Bild getrennt gelagert wurden, 40 Jahre.
Der VfL Wolfsburg wird Deutscher Meister. Verdient?
Unter ihrem 1938er Gründungsnamen "Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben" würde der VfL in internationalen Wettbewerben sicher auch allerhand heimatkundliches Interesse wecken. Da der Ort seinen Namen und die Firma ihren Aufschwung britischen Besatzungsoffizieren verdankt, musste über kurz oder lang auch irgendwas mit Fußball klappen. Glückwunsch! Herein, was kein Bayer ist!
Und was macht Borussia Dortmund?
Bei Sat.1 hätte Kerner die europäischen Spiele des BVB kommentiert. Hoffentlich nimmt er es nicht wieder gleich persönlich.
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