Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Guido Westerwelle wird Pornograf, Oberst Georg Klein stiehlt Bundeseigentum und Regieren wäre echt mal total abgefahren.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Optimale Bedingungen für Olympische Winterspiele - in Dortmund.
Was wird besser in dieser?
Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Drinnen bleiben, grünes Vancouver gucken.
Nach dem Urteil über den Hartz-IV-Satz beginnt die große Rechnerei. Beherrscht die Regierung das Einmaleins?
Ja, die CDU rechnet mit der Vergesslichkeit des Publikums: Eben noch sprudelten 15 Milliarden Euro für HRE, 13 für die Commerzbank und viele weiteren Tranchen aus dem "Bankenrettungspaket". Nun sei ein "einstelliger Milliardenbetrag" für eine Hartz-Korrektur ein Riesenproblem. Die FDP rechnet, vor allem mit Schwarz-Grün auch noch in NRW und dann im Bund. Prompt schließt Westerwelle die Lücke nach Lambsdorff: Auf Marktgraf folgt Pornograf. Guido Westerwelle war seit 1983 Juli-Chef, seit 88 im FDP-Bundesvorstand und schloss sein Jurastudium erst 1991 ab: Parteiamtssalär, Diäten, Ministergehalt: Der Mann hat nie ernsthaft von etwas anderem als Staatsknete gelebt. Dass nun ausgerechnet er wirklich Bedürftige als überfressene Orgiasten schmäht - im vorrevolutionären Frankreich wäre das als der mannhafte Wunsch verstanden worden, sich immerhin die eigene Laterne auszusuchen.
Stefan Mappus löst Günther Oettinger ab. Tritt er in große Fußstapfen?
In BaWü gibts nur Fußmatten, das ist Autoland. Mappus ist 43 und der Hälfte der Landeskinder laut Umfrage unbekannt; er hat eine faire Chance, unerkannt vom Unfallort zu entkommen. Wenn er sich gegen den präsidialen Teufel und den ungelenken Oettinger profilieren will, müsste er was Abgefahrenes tun … hm … regieren!?
Auftrumpfen will Google mit seinem neuem Buzz. Wie viele soziale Netzwerke verträgt der Mensch überhaupt noch?
"Soziales Netzwerk! Dass wir da nicht drauf gekommen sind!", raunt es durch die Normannenstraße. Mielkes "Ich liebe Euch doch alle" war da schon auf dem richtigen Weg: "Keine Einrichtung erforderlich! Werden Sie automatisch Mitleser bei den Nutzern, mit denen Sie am häufigsten chatten." Ein paar Datenschutzskandale später wird es "sichere" Netzwerke geben, die alltäglich Sinn machen. Bis dahin gehe ich in keines, finde die meisten in Ihrer Werbung sacht übergriffig. Und schmeiße im Büro alle Bewerbungen sofort weg, die statt beruflichem Lebenslauf "können Sie bei Xing gucken" hinrotzen.
Für mehr Datenschutz setzt sich das Europäische Parlament ein und lehnte daher das Swift-Abkommen mit den USA ab. Eine gute Entscheidung?
Ehrlich gesagt erfahre ich bei dieser Gelegenheit, dass die US-Regierung bisher Zugriff zu 15 Millionen täglichen Überweisungen zwischen 8.000 Banken aus Europa hatte. Allein die Publizität durch das No des EP adelt diese Entscheidung.
Vom Sündenbock zum Liebling: Oberst Georg Klein hat die volle Verantwortung für das Bombardement in Kundus auf sich genommen. Eine Erlösung für die Öffentlichkeit?
Wenn er die volle Verantwortung übernimmt, ist das Diebstahl von Bundeseigentum. Es gibt eine militärische Doktrin, es gab Vorgesetzte, die ihn instruiert und gedeckt haben. Die Bundeswehr hat zum Beispiel ihren Fuhrpark outgesourct, mörderische Fehlentscheidungen hingegen muss sie behalten.
Apropos Bundeswehr, die Gebirgsjäger sollen Rekruten schikaniert haben. Misshandlung oder Mutprobe?
Der Wehrbeauftragte hat sich aus gegebenem Anlass "gegen Komasaufen bei der Bundeswehr" ausgesprochen. So fundamental wurde die Truppe bisher nur von Pazifisten infrage gestellt. Robbe befürchtet weiter "ein Alkoholproblem nach Dienstende", was auf unzureichende Bevorratung schließen lässt. In einer Wehrpflichtarmee sind immer wieder mal Jungs dazwischen, die kranke Mannbarkeitsrituale und Extreme-outdoor-Totmachen nicht toll finden. Das ist einer ihrer edelsten Vorzüge.
Ganz gelassen gab sich auch Autorin Helene Hegemann wegen der Plagiatsvorwürfe gegen sie. Wie viel Abschreiben verträgt die Literatur?
Wie viele Samples verträgt ein Track? Fragt in der Popmusik keiner mehr, und in der Popliteratur wirds Zeit. Mal ab von großen Abschreibern der Literaturgeschichte ist Montage vorgefundenen Materials ein Wesenszug von Kunst. In der Musik hat sich durchgesetzt, die Spender der Uridee mit Lizenzen zu beteiligen, wenn der Umfang es rechtfertigt. Und fertig.
Großer Rummel herrscht wieder bei der Berlinale. Was erwartet uns beim 60. Jubiläum?
Bin gerade erst mal auf der Homepage ertrunken. Ich habe keine Ahnung, und immerhin habe ich Film mal studiert. Also, ich versuchs: Es war lange nicht so unpeinlich, mit deutschem Film und Film in Deutschland zu tun zu haben.
Und was machen die Borussen?
"Den Kollegen vom Live-Ticker brennen die Fingerkuppen" - reine Poesie auf der WAZ-Seite über das fiebernd großartige Bayernspiel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt