Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Es gibt kein "Basisgeld", Westerwelle droht wirksam, die Achtziger kehren unerwartet zurück – und Merkel eiert.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Stuttgart 21, Atomdemo, klingt nach Open-Air-Saison der "80er Show".
Was wird besser in dieser?
Nee, die meinen das ernst.
Ursula von der Leyen ist mit ihrem Vorschlag, das Arbeitslosengeld umzutaufen, gescheitert. Was spricht gegen den Namen Hartz IV?
Die SPD - wenn Sie klug wäre. Der Name des inzwischen vorbestraften Schröderkumpels bindet die verhassten Sozialminderungen auf viele Jahre der SPD ans Bein. Leyentheater wäre auch schön, und deren Idee "Basisgeld" klingt so technokratisch, dass die Union es nicht mehr gegen die SPD verwenden könnte. "Mikätzchen" waren ungelernte Lehrer, die Kultusminister MIkatz erfand; "Wuermlinge" Bahnverbilligungen für Kinderreiche nach Familienminister Wuermling. Amt Blank, Gauck-Behörde, Riester-Rente: Irgendwann kennt man den Patron kaum mehr, und Leyen wird froh sein, nicht Patrone zu sein. Na ja, wenn die Chipkarte, die sie Bedürftigen statt Bargeld aushändigen will, ein Erfolg wird, sagt man bald: "Haste noch n Teller Suppe auffe Ursel?"
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Nach Erika Steinbachs Angriff auf Polens Exaußenminister Wladyslaw Bartoszewski: Muss Angela Merkel jetzt Ernst machen?
Ich hoffe nicht, dass es bisher Spaß war. Ende des Monats wird der Fraktionsvorstand neu gewählt, und sicher hätte Merkel die 60 bis 70 Stimmen aus dem Freundeskreis der Vertriebenenpolitik dabei gern auf ihrer Seite. Also distanziert sie sich gegenüber Polens Donald Tusk von Steinbach, nicht jedoch nach innen. Wird Steinbach dann wiedergewählt, braucht keiner mehr Sehnsucht nach einer rechten Partei zu haben - Merkels CDU ist eine. Kohl hat mit Händchenhalten über SS-Gräbern auch allerhand verletzende Orientierungslosigkeit verbrochen. Als Kriegskind allerdings auch intuitiv ein paar Lehrern verinnerlicht - "keine Bundeswehr dort, wo der Wehrmachtsstiefel war". Aus Barzels Schwenk in der Ostpolitik wurde unter Kohl Zement. Merkel - eiert. Ja, sie muss Steinbach achtkant feuern; ab und an muss Haltung vor Machtkalkül gehen.
Die Bundesregierung sorgt sich wegen Steinbach und Sarrazin um ihren Ruf im Ausland. Ist nicht unser Außenminister Westerwelle das imageschädigendere Problem?
Immer wieder eine Freude, wie die sich nicht um ihren Ruf im Inland scheren. Westerwelles erste Dienstreise ging nach Polen, das war vorausschauend. Paläste beschenken, Hütten anzünden ist mehr sein Hobby für daheim. Ein vorausschauender Außenminister allerdings hätte auch in der Sarrazin-Debatte klar gegenhalten müssen - allein schon wegen seiner nächsten Dienstreise nach Israel.
Es wäre also eine gute Idee, den FDP-Vorsitz abzugeben - ein Außenminister hat andere, höhere Interessen als ein Wahlkämpfer, der noch ein paar Sarrazin-Stimmen mitnehmen möchte. Allein das Gerücht, Westerwelle erwäge den Verzicht auf den Job als Parteichef, ist gegenüber dieser Partei eher eine höchst wirksame Drohung.
Möglicherweise hat Deutschland bald weniger als drei Millionen Arbeitslose. Zeit für eine Agenda 2020?
Am Ende schrumpft die "Krise" also darauf zusammen, dass ein paar Banken und Autohersteller sich das umständliche Produkteverkaufen und Dienstleisten gespart haben. Und direkt Steuern kassiert haben auf ihre schiere Existenz. Gewürzt mit ordentlich Jobangst, haben wir das mal so hingenommen. Immerhin kamen die Warnungen vor katastrophalen Jobverlusten ja von den gleichen Hanswernerunsinns, die zuvor die Krise genau gar nicht vorausgesehen hatten. Da China herkömmliche Autos und Atomkraftwerke selber kann, ist die Agenda klar. Offenbar wird sie vor der Regierung geheim gehalten.
Die Kanzlerin gerät wegen ihrer Energiepolitik in Not. Nun distanziert sich sogar Bundestagspräsident Lammert. Wann ringt sich die Koalition zur Wahrheit durch?
Es ist Lammerts Job, tüchtig die Glocke zu schütteln, wenn Politik an seinem Haus vorbeigemacht wird: wie hier, ein Industriedeal statt eines ordentlichen Gesetzes. Und er lässt anklingen, dass die Kollegen im Bundesrat nicht ausgetrickst werden können. Seltsam ist hingegen, dass er auch noch darauf hinweist, wie dufte und epochal Merkels Restgesetz sei. Das deutet darauf hin, dass er konsequent bereit ist, seinen Job zu behalten.
Und was machen die Borussen?
Durften das Schalke-Derby nicht publically viewen, um so horrenden Topzuschlägen zu trotzen. Zwar hätte man vom BVB-Altstadion "Rote Erde" und von der DFL zwei zugedrückte Augen bekommen, rechtemäßig. Doch die Dortmunder Polizei hatte einen ausgebildeten Ordner auf je vierzig Zuschauer gefordert. Da fünftausend Fans erwartet wurden, war die Veranstaltung damit tot.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“