Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Nachmittagsserien wie "Master Julian, der wackere Datenspaten" werden in 300 Jahren so richtig fetzen. Blinzelaugust Sarrazin verpasst hingegen knapp den Charismatiker-Status.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küpperbusch: Schwere Körperverletzung bei "Wetten, dass ..?".
Was wird besser in dieser?
War die Sendung das nicht irgendwie schon immer?
Die US-Diplomaten-Cables hatten wenig Neues über deutsche Politiker zu berichten. War die Aufregung um die "diplomatische Krise", die das Ganze hervorrufen sollte, übertrieben?
Friedrich Küppersbusch ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Lespekt! sagt da der Chinese. Gespräche mit Diktatoren über Meinungsfreiheit werden künftig einen humorigen Groove bekommen: "Niebel, du schräge Besetzung, neulich warst du noch für Zensur!" Wie hätten systemfromme Medien zu seiner Zeit über Robin Hood berichtet? "Seltsamer Kerl, hat was Psychopathisches, Antrieb vermutlich Habsucht, Sheriff von Nottingham hat Haftbefehl draußen."
In 300 Jahren gibt es Nachmittagsserien über "Master Julian, der wackere Datenspaten", und die sind dann mindestens so bekloppt wie Assange jetzt schon. Schneller wird es Me-too-Plattformen geben, etwa "Wiki und die starken Unterlagen" oder www.Meister-Petz.de, und die Nachrichtendienste, die jetzt kotzen, werden ihr gefälschtes Material dort veröffentlichen. Wikileaks ist eine Amateurbude gegen Staaten, die mit gefälschten Geheimdokumenten über "Massenvernichtungswaffen" einen mörderischen Krieg lostreten.
Heiner Geißler hat gesprochen, eine Einigung ist damit nicht erzielt. War die Schlichtung nichts als Volkstheater?
Na, immerhin das Theater, das ein Gutteil Volks gewollt hat. Die Schlichtung ist kein Verfassungsorgan, die Teilnehmer hatten null Wahl bestanden - und beides zusammen ergab einen Cast, der den Leuten in punkto "gefühlte Demokratie" lieber ist als die gewählten Parlamente. Strange! Mit Blick auf sein Alter wird er mit der Show nicht als "Heiner und die sieben Geißlein" auf Tour gehen zu jeder umstrittenen Umgehungsstraße.
Doch die Nachricht ist angekommen: Viele Bürger haben über- und nachparteiliche Politiker - wie auch Schmidt oder Weizsäcker oder Hamm-Brücher - lieber. Künftige Schlachtordnungen können heißen "Parteifromme gegen Bürgerbewegte", und die Merkelei, in Ba-Wü auf die Staatsbejaher zu setzen, wird nicht schlecht funktionieren. Spannend und neu ist der Perspektivwechsel: Früher sprach man von "außerparlamentarischer Opposition", diesmal war der Parteienstaat kurz die innerparlamentarische.
Die Grünen haben in Hamburg die Koalition aufgekündigt. Das Aus für Schwarz-Grün auf Bundesebene?
Nachdem die Grünen mit der SPD Kriege geführt haben, könnten sie mit der CDU AKWs bauen. In Hamburg haben sie schon mal geübt: "Keine Kohle für Ole" plakatiert und hinterher das Kohlekraftwerk doch gebaut. So gesehen: großes Glück, dass die Union schon die Laufzeitverlängerung gemacht hat und damit die Tür gen Grün zugeschlagen haben. Ich hoffe: für lange.
Eine neue Studie des Soziologen Wilhelm Heitmeyer belegt, besonders die gebildete Oberschicht wird immer islamophober und auch antisemitischer. Wer gründet demnächst eine Partei rechts der CDU?
Mit Holland, Österreich, Italien, auch Schweden und Schweiz kann man sich langsam eingekreist fühlen. Ich denke oft, es ist unfassbares Glück, dass es Stinkstiefel Schönhuber, Zeitungsdrücker Frei oder Blinzelaugust Sarrazin und jedenfalls haarscharf schon wieder kein Charismatiker war in Deutschland. Als würden wir garantiert sofort einen massenkompatiblem Rattenfänger bekommen, wenn wir uns je zu sicher fühlten.
Jenseits der Metaphysik: Westerwelle hat seine Umfragewerte gedrittelt mit seiner Sozialdemagogie-Nummer, das hält erst mal wieder ne Zeit, und die ganze Koch-Merz-Stoiber-Bagage riecht nach Absteiger. Die Debatte lenkt auch davon ab, dass die vorhandenen Parteien munter rechtswandern, dafür brauchen die keine neue.
Programmänderungen bei ARD und ZDF sollen weniger Dokus und mehr Talk zu guten Sendezeiten bringen. Bringt das mehr Qualität ins Öffentlich-Rechtliche?
Ja, der ganze Stuhlkreisrummel wird an Überangebot implodieren, und dann gibt es ein Leben nach dem Talk. Wobei "gute Sendezeit" auch ein origineller Begriff ist, in der Primetime bieten auch die Gebührensender weder Talk noch Doku.
Und was machen die Borussen?
Diese Mannschaft kann alles spielen ! Sogar runter: den Herbstmeistertitel. Die Phytia vom Borsigplatz, Jupp Schmiedeskamp, hat zu Saisonbeginn "dritter Platz" prophezeit hier an dieser Stelle. Das wird mindestens hinhauen. Fragen: alm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Unterbringung und Versorgung
Geflüchtetenaufnahme belastet Kommunen weiterhin deutlich