Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Merkel schummelt, Guttenberg gelt und Lena lässt selbst FDJ-Feste pluralistisch wirken. Die Woche mit Friedrich Küppersbusch.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Irlands RyanAir, das Dominastudio der Lüfte, hat diesmal 120 Passagiere wegen Unstimmigkeiten in Lanzarote ausgesetzt.
Was wird besser in dieser?
Ralf Sotscheck bekommt ein flugtaugliches taz-Rad.
Angela Merkel gab dem Westen Revolutionstipps in Sachen Ägypten und sprach dabei ihre eigenen Erfahrungen beim Mauerfall an. War das gut?
Gut geschummelt auf jeden Fall: "Wir wollten damals keinen Tag warten, wir wollten D-Mark und Einheit sofort", sagt Merkel. Es war auch die Junge Union aus dem Westen, die lautstark half, den revolutionären Ruf "Wir sind das Volk" in "Wir sind ein Volk" umzugröhlen. Ein ARD-Korrespondent wurde gemaßregelt, weil er zu wenige "ein Volk"- und zu viele "das Volk"-Rufe eingeschnitten habe in seine Beiträge. Einen eher selbstbestimmten Weg in eine föderale Zukunft verweigerte die Regierung Kohl der DDR, weil und indem sie der Modrow-Regierung den gewünschten Kredit nicht gab. Man mag Lötzschs aktuelle Kommunismusnavigation zum Beweis nehmen, dass die heute noch rumbasteln würden. Merkel selbst trat erst relativ spät in Erscheinung, Dezember 89, und da war die Wiedervereinigung in ihrem Demokratischer-Aufbruch-Bündnis noch durchaus umstritten. All das verdeckt Merkels vereinnahmendes "wir".
Fänden Sie es erhellend, wenn sich ostdeutsche Bürgerrechtler dazu äußern würden? Oder lassen sich Wende und Ägypten nicht vergleichen?
Ja, leider nur für uns erhellend. Bei aller galaxienüberstrahlenden Bedeutung Deutschlands : Ägypten könnte andere Sorgen haben. Die Betrachtung, ob es in so einem chaotischen Moment eine Chance für eine Selbstbestimmung gibt, könnte der inneren Einheit Deutschlands helfen. Die strategischen Interessen "des Westens", der USA, Israels, die Beharrungskräfte arabischer Diktaturen und die Ziele des politischen Islamismus bilden eine Gemengelage, die es an Dramatik und Gefahr mit dem Ende der DDR locker aufnehmen kann. Der Vergleich mit der Wiedervereinigung hingegen ist anmaßend: Mit wem möchte Ägypten vereinigt werden? Die wollen endlich nicht mehr bevormundet werden, so viel scheint klar.
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Freuen wir Europäer uns tatsächlich für die arabische Welt - oder haben wir Angst, weil uns kein Diktator mehr die Islamisten vom Hals hält?
Wer kein Teil der Lösung ist, ist ein Teil des Problems. Das ist die verkopfte Art, sich vernunftgesteuerten Freuzwang anzutun, gebe ich zu. Israel ist schlimm weit weg von einer friedlichen Koexistienz, die USA beschützen die Ölscheichokratien. Ich bringe es bei aller "Selbstbestimmung" nicht übers Herz, das Mullahregime Irans toll zu finden, und wohlgenährte Despoten wie Mubarak, al-Gaddafi, Ben Ali sind für Europa schändliche Freunde. Hier finde ich Merkels Satz gut: "Die rote Linie sind die Menschenrechte", und also nicht eine bestimmte Staatsform oder ein Palast für die Adenauer-Stiftung in Kairo. Ich freue mich ängstlich für die Bevölkerung von Ägypten.
Sie sind ja Fernsehproduzent. Wie sähe angesichts der aktuellen Ereignisse Ihr Konzept für eine Show um Karl Theodor zu Guttenberg aus?
Ich dachte, der ist eine? Okay, eine Zeichentrickreihe "Der Hase und der Ihhhh-Gel" wäre machbar. Wenn der Hase denkt, der niedliche Brumm-brumm-Bär Opel würde gerettet, ist der gerissene Ihh-Gel schon Verteidigungsminister und versenkt den bösen Gorch. Kaum ist der Hase mit hängender Zunge beim Gorch angelangt, ist der Ihh-Gel schon Menschenrechtsbeauftragter Ägyptens. Als endlich alle sehen, dass der gerissene Ihh-Gel ein Team ist aus Guttenberg, seiner Frau, Lothar Matthäus und Brisk, lacht sich der Hase scheckig und bleibt Bundeskanzlerin.
Neonazis werden am 13. Februar wieder versuchen, das Gedenken an das alliierte Bombardement für sich zu vereinnahmen. Sollte man die ignorieren?
Rudolf Augstein schrieb 1967 über Rolf Hochhuths Churchill-Groteske "Soldaten": "Er hat sich zu sehr entrüstet, und er hat zu wenig nachgedacht." Hochhuths Enkelchen sind da. Wo sind Augsteins?
Grand-Prix-Gewinnerin Lena tritt gegen sich selbst an. Hat das nicht was Totalitäres?
Beim Festival des politischen Liedes der FDJ gings irgendwie pluralistischer zu, stimmt.
Und was macht Borussia Dortmund?
Die Focus-Online-Meldung "Kaum Krawalle bei Revierderby" hat ein bisschen was von "Scheiße! Kein Mann beißt Hund!". Ausweislich vieler Fan-Foren ist es für manchen Schalker die Höchststrafe, dass Magath dank des 0:0 Trainer bleibt. Ja, so sind wir.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde