Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Baden-Baden und Griechenland kämpfen um Rentner, Nicolas Sarkozy sorgt für beste Unterhaltung und Thomas Gottschalk hat da noch so einen Vetrag.
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taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Früher hegte der Staat Argwohn gegen WGs, in denen politisierte Studenten umstürzlerische Gedanken hegten und ordentlich Drogen nahmen.
Und was wird besser in dieser?
Weitgehend unbehelligte Burschenschaften.
„Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung“, behauptet Angela Merkel in der Generaldebatte des Bundestages. Nach welchen Kriterien hat sie das gemessen?
Kein Kabinettsmitglied ist zur Fahndung ausgeschrieben. Dabei handelt es sich immerhin um das Erntedankfest der Diebe: Die Agendapolitik hat die Gesellschaft entsolidarisiert, das war Schröder. Trittin steht für Atomausstieg und Ökologisierung der Wirtschaft. Und die Einheit selbst gönnte sich Kohl aus den Sozialkassen. Man muss also Merkel nicht widersprechen, um sie zu widerlegen: Eigenlob stimmt. Nur sind andere reiche Erben nicht so dreist, mit dem unverdienten Reibach anzugeben. Die Regierung Merkel/Rösler ist eine Erbengemeinschaft. Sie hinterlässt bisher nichts, womit Merkelenkel in 20 Jahren angeben könnten. Ein EU-weiter Solidarpakt wäre so etwas – gegen nichts wehrt sie sich heftiger.
Die griechische Regierung wirbt mit Steueranreizen um wohlhabende Senioren aus dem Ausland. Wird Griechenland jetzt zum europäischen Rentnerparadies?
Das können die sich nur trauen, weil Baden-Baden keine eigene Armee hat.
Die Umweltminister treffen sich nächste Woche in Katar. Werden sie den Klimawandel aufhalten können?
Die Entscheidung, die Fußball-WM 2022 nach Katar zu vergeben, hat angeblich 20 Millionen US-Dollar Schmiergeld gekostet. Vielleicht gibt’s Umweltgipfel günstiger. Ein erster symbolischer Beitrag zur Klimarettung wäre die Absage aller solcher Veranstaltungen im Scheichtum. Der Bau von sieben vollklimatisierten Fußballstadien jedenfalls ist so erhaben gaga, dass man sich schon jetzt nach einer neuen, moralisch vertretbareren Sportart umschauen möchte.
Frankreichs Expräsident Nicolas Sarkozy muss wegen des Vorwurfs der illegalen Parteifinanzierung in seinem Wahlkampf 2007 aussagen. Ist die Idee der politischen Immunität überholt?
Nö, immerhin schließt seine Partei ein politisches Comeback nicht aus, und das wird bei aufgehobener Immunität schwierig. Sarkozys Anwälte bringen vor, qua Schreibfehler im Terminkalender seien Milliardärin Bettencourt und Entführungsopfer Betancourt verwechselt worden. Nein! Doch! Ohhh! Großes Louis-de-Funes-Reinkarnieren. Mutet an wie Kohl und Pinkel statt Kohl und Kinkel, große Unterhaltung, auf jeden Fall also bitte fortsetzen, die Serie.
In Berlin protestieren Flüchtlinge seit geraumer Zeit für eine Aufhebung der Residenzpflicht. In Hessen wurde sie bereits aufgehoben. Ein längst überfälliger Schritt?
Eine etwas überhastete Reaktion auf die oben diskutierte Initiative Griechenlands, vermögende Rentner aufzunehmen. Mit Roland Kochs Hessen konnte man sich stets auf eine marginale Grundgesetzänderung einigen: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht, und zwar woanders.“ Deshalb ist das Beispiel ausgerechnet der rechten Hessen hilfreich, die Residenzpflicht bundesweit aufzuheben.
Das nächste Opfer: die „Financial Times Deutschland“. Wie kommen wir aus der Krise?
Öhm, aus einem Stapel von religiösen Traktaten fehlt künftig ein gelbes Blättchen, in dem die zentrale Irrlehre „Der Markt kann alles besser“ besonders inbrünstig gepredigt wurde. Und ich soll jetzt traurig darüber sein? Die FTD wurde 2000 eingeführt und hat den Zusammenbruch des Neuen Marktes um 10 Jahre überdauert. Respekt. Man kann sich viel Lamento sparen indem man nüchtern feststellt : Das wirtschaftsethisch interessierte Brand eins, gegründet 1999, hat überlebt.
Thomas Gottschalk soll im Ersten eine Samstagabendshow bekommen. Warum quälen uns die Öffentlich-Rechtlichen so?
Pacta sunt servanda, da gibt es noch einen Vertrag und womöglich ist das Showkonzept besser als eine teure Vertragsauflösung. Oder die Anwälte der ARD.
Und was macht Borussia?
Der „vierte Offizielle“ beim Spiel in Mainz war diesmal eine SchiedsrichterIn. Der Job, sich 90 Minuten lang an der Seitenauslinie von Jürgen Klopp taub schreien zu lassen, wirkte diesmal sacht entspannter. Klopp schien gehemmt und begann unterwegs sogar, ersatzweise seinen Kumpel und Mainz-Trainer Tuchel anzugiften. Cleverer Schachzug, diese Ansetzung. Fragen: LIT
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