Die Werbepause: Versagen ist rosa
Die EU-Kommission wollte junge Frauen ermutigen, sich mehr für Wissenschaft zu interessieren. Das ging gehörig nach hinten los – oder eben grade nicht.
Da wollte die EU-Kommission einmal „lustig und originell“ sein, wie es auf der Internetseite der EU-Kampagne „Science – It’s a girl thing!“ heißt. Etliche Antworten auf noch mehr verärgerte Kommentare füllen die Seite mittlerweile. Fazit: Nicht lustig!
Dabei war die Absicht so gut – ein Werbevideo sollte Mädchen mehr Lust auf Wissenschaft machen: Durch einen farblosen, klinisch beleuchteten Raum kommen drei junge Frauen angestakst, stilistisch eher bei der Zeitschrift Vogue denn bei der Science zu verorten. 102.000 Euro haben die 45 Sekunden gekostet, und das ist auch zu sehen.
Wie in einem Modevideo werden Glaskolben und Mikroskope in einem quietschpinken Farbenrausch aus Puder, Schminke und Nagellack in Szene gesetzt, dazwischen die drei durchgestylten „Forscherinnen“, welche die wissenschaftlichen Geräte wie schicke Modeaccessoires behandeln. Wohlwollend ließe sich das Werk als Spaßfeminismus a la Spice Girls verstehen. So wohlwollend war das Netz aber nicht.
Der Shitstorm kam prompt, schon kurz nach Veröffentlichung wurde das Video wieder von der Seite genommen. Es half nichts, per Youtube hatte sich der Fim längst vertausendfacht. Werden hier sexistische Klischees bedient? Müssen Mädchen mit einer Explosion in Rosa für Wissenschaft begeistert werden?
Die EU-Kommission ist an einem alten Problem gescheitert: Wie bereitet man ein trockenes Thema – hier Naturwissenschaft – ansprechend und unterhaltsam auf, ohne es zu trivialisieren und die Adressaten für blöd zu verkaufen? Möglicherweise haben die Macher aber gerade deshalb ihr Ziel erreicht, weil sie so vollumfänglich versagt haben. Denn im Gegensatz zu manch gelungerem Spot zum selben Thema wird jetzt vielstimmig darüber diskutiert, wie man es besser machen sollte – vielleicht die beste Werbung, die man bekommen kann.
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