Die Wahrheit: Der Herr Papa im Badezimmer
Woke bis zum Abwinken, aber die Bioseife ist einfach nur steinhart. So sind die Töchter von heute.
I ch wünschte, sie würden sich endlich als „Jungs im falschen Körper“ outen, nonbinäre Neunamen annehmen oder wenigstens gegen das Patriarchat aufbegehren. Stattdessen machen sich meine pubertierenden Töchter die Haare schön.
Da verspricht ein Trockenshampoo mit dem Untertitel „flirty flora“ einen „verspielten und blumigen Duft“, ein Schaumfestiger mit „Farbschutz-Formel und Glanz-Effekt“ wiederum „moderne Texturen“. Eine Sprühdose stellt „feinem Haar verführerisches Volumen und Halt“ in Aussicht, und zwar mit einem „Koffein-Vitalitäts-Komplex“. Ein „veredelndes Pflege-Spray“ sorgt dafür, dass das „entwirrte Haar“ sich nicht zufällig doch verwirrt. Ihre folglich bald „sehr trockene, raue & juckende Kopfhaut“ vertrauen die Zwölf- und die Vierzehnjährige einem „reparierenden CICA Bodybalsam“ nach „norwegischer Formel“ an.
Als Ausgleich für diesen chemischen Overkill muss die gewöhnliche Seife ökologisch, biologisch, vegan und „in Handarbeit mit Liebe hergestellt“ sein. Versehentlich lieblos hergestellte Seife wird vermutlich aussortiert. Jedenfalls experimentieren wir gerade mit Produkten aus Sheabutter, Traubenkernöl, ätherischem Kamillenöl und Lavendelblüten. Keine Ahnung, ob die Kinder diese bröseligen Klötze selbst herstellen oder von einer Hippie-Kommune auf Gomera beziehen.
Ich war nur froh, dass an jenem schicksalhaften Tag überhaupt eine Seife oder „Seife“ auf dem Rand der Badewanne lag. Zunächst war ich sogar entzückt, dass sich das Ding bei Kontakt mit Wasser nicht sofort in seine Bestandteile auflöste. Im Gegenteil. Ich rieb hier und schrubbte dort, und es blieb hart wie ein Stein. Irgendwann kam mir das merkwürdig vor. Also rubbelte ich es eifrig zwischen meinen Handflächen. Es blieb trocken. Typisch!
Blumig
Dafür duftete es stark. Sehr stark sogar. Blumig, mit einer leicht ätzenden Note. Also wusch ich mich weiter überall, wirklich überall, geduldig und in der Hoffnung, dass diese superschonende Alternativseife doch noch die Eigenschaften ihres Vorbilds annehmen und ein wenig schäumen würde. Nichts dergleichen. Immerhin wurde der Duft aggressiver, je aggressiver ich die Seife bearbeitete. Bald verbreitete das Teil einen hartnäckigen Gestank, der beinahe als chemisch zu bezeichnen wäre und mir auf ominöse Weise bekannt vorkam.
Die Kinder hörten wohl mein immer haltloseres Zetern und fanden sich, schuldbewusst, im Badezimmer ein. „Igitt!“, entfuhr es der Jüngeren: „Wonach stinkt es denn hier?“ Tatsächlich roch es inzwischen wie bei einem Unfall bei BASF. Finster hob ich die Seife hoch und sagte: „Das fragt ihr mich? Was ist das hier wieder für eine Bioscheiße, hm?“ Die Jüngere beugte sich hinab, kniff die Augen zusammen und sagte ruhig: „Das, Papa, ist ein Toilettenstein.“
Das Wort „cringe“ fiel übrigens nicht. Dafür bin ich meinen Töchtern sehr dankbar.
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