Die Wahrheit: Die Eichstrichpolizei

Wenn es ob fehlender Ruhestörung nicht mehr um Ruhestörung gehen kann, dann findet die geneigte Polente ganz sicher einen anderen Grund, um zu nerven.

Freitagabend, Großstadt, Punkrockkonzert im Kommunistenclub, alles wie immer: wenig Gäste, viel Bier. Lange nach dem letzten Song klingeln fünf Polizeifachkräfte. Beschwerde wegen Ruhestörung. „Aber doch vor einer Stunde? Jetzt ist hier ja nichts mehr los“, antwortet irgendwer, um erst mal Zeit zu schinden, während eine Handvoll Punks mit kritischer Vergangenheit sich heimlich über den Keller verabschiedet.

Randbeobachtung: Es sind drei Damen und zwei Herren in Uniform, mit einem Frauenanteil von 60 Prozent ist die Polizei an diesem Abend deutlich diverser besetzt als die linke Szene.

„Und wo wir schon mal da sind, kontrollieren wir auch gleich die Notausgangsbeschilderung“, sagt der älteste der fünf Freunde und Helfer. Die ist zwar tadellos, aber die Staatsgewalt findet ein Haar in der roten Suppe: Draußen über der Treppenhaustür fehlt ein Schild. „Aber da bin ich doch schon draußen?“, fragt irgendwer, doch den Gesetzeshütern steht der Sinn nicht nach Logik.

Weil es den Beamten in unserer Mitte so gut gefällt, kommt als Maßnahme gegen Ruhestörung auch noch eine kostenlose Feuerlöscherkontrolle dazu. Das Gerät ist intakt, aber weil die Prüffrist bald abläuft, gibt’s schon mal einen Prophylaxerüffel. Die Stimmung ist wie in einem Tarantino-Streifen kurz bevor Samuel L. Jackson zur Schrotflinte greift.

Selbst Tarantino wäre nicht drauf gekommen

Jetzt passiert allerdings etwas, worauf selbst Tarantino noch nicht gekommen ist: „Zeigen Sie mir mal Ihre Weingläser!“, sagt der Schutzmann und überhört dabei den Kommentar: „Sie dürfen doch gar nicht im Dienst!“ Sodann stellt er fest: „Da fehlt der Eichstrich. Sie servieren hier laut Karte 0,25 Liter Wein. Das müssen Sie nachweisen, ich sehe aber nirgendwo einen Messbecher.“

„Ist es Aufgabe der Polizei, freitagabends mitten in einer Großstadt mit fünf Leuten Eichstriche zu kontrollieren, wenn eine Ruhestörung gemeldet wird?“, frage ich den Alten, weil sich auch ohne Eichstrich feststellen lässt, dass das Maß voll und hier vor allem eine Seite auf Eskalation aus ist, um einen Grund für eine baldige Schließung dieser Einrichtung zu verursachen.

Einer meiner Kumpels, der vermutlich wegen des fehlenden Eichstrichs viel zu viel getrunken und deshalb vergessen hat, wie man denkt, sagt aus Versehen laut: „Ist doch nicht schlimm, dass die hier sind, die eine find ich auch echt heiß!“ Bevor „die eine“ reagieren kann, grätscht von unterhalb des Tresens zum Glück der Finder des Messbechers mit einem lauten „Da ist er!“ dazwischen.

Nur leider reicht auch der den bewaffneten Eichstrichexperten nicht aus: „Die Striche sind ja nur bei 100 Milliliter, 200 Milliliter, 300 und so weiter – damit können Sie ja gar keine 250 Milliliter abmessen!“

Die Ausführungen dessen, was danach geschah, möchte ich allen Lesenden ersparen. Bitte denken Sie doch nur einfach an diese kleine Geschichte, wenn sie mal wieder vom Personalmangel der Polizei lesen sollten.

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Cornelius W. M. Oettle kam in der kältesten Novembernacht des Jahres 1991 in Stuttgart zur Welt und weiß nicht, warum. Zur Überbrückung seiner Lebenszeit schreibt er als freier Autor für alle, die sich ihn leisten können. Seine Tweets aber sind und bleiben gratis.

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kari

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