Die Wahrheit: Sock-Shock-Jock
Neues aus Neuseeland: Den alten, weißen Mann gibt es auch down under. Da sitzt er zum Beispiel am Radiomikrofon und will anderen „die Kehle“ stopfen.
E in halbes Jahr ist es her, dass die Nazi-Schüsse in Christchurchs Moscheen fielen und Aotearoa Kopftuch trug als Zeichen der Trauer und Solidarität, angeführt von der Mutter der Nation. Nur einen Monat ist es her, dass unsere heilig gesprochene Jacinda einen reingewürgt bekam – buchstäblich. Jetzt folgt endlich die späte Rache.
Die neuseeländische Staatschefin war beim Forum der Pazifischen Inselstaaten in Tuvalu, wo der steigende Meeresspiegel fragile Atoll-Dörfer bedroht. Von dort forderte sie den großen Bruder Australien auf, mehr gegen die Klimakatastrophe zu tun. Keineswegs ein radikaler Appell, aber bereits mehr als genug für Alan Jones, Australiens übelsten „shock jock“.
Das 78-jährige Radio-Fossil, das den Klimawandel für linke Propaganda hält, polterte am Tag darauf in seiner Frühstückssendung gegen Jacinda Ardern: Australiens Premierminister Scott Morrison sei hoffentlich gebrieft, „um ihr mit einem Socken die Kehle zu stopfen“. „Diese Frau ist nur ein Witz, ein absolutes Leichtgewicht“, redete Jones sich weiter in Rage.
Damit blieb er sich selber treu. Alan Jones hat eine stolze Erfolgsbilanz, was rassistische und sexistische Sprüche angeht. Top-Topos: Gewalt gegen Frauen. Eine andere Politikerin, Ex-Premier Julia Gillard, bekam das bereits zu spüren. 2012 erklärte Jones, sie solle „in einen Spreubeutel“ gepackt und „raus aufs Meer“ geworfen werden.
Der Socken-Schock
Die greise Hass-Schnauze gab gern das N-Wort von sich und rief offen zum „leb and wog bashing day“ in North Cronulla auf – das waren die gewalttätigen Mob-Krawalle gegen Muslime und Migranten vor 18 Jahren, südlich von Sydney. Eingewanderte Libanesen sind für den Radiomann „Ungeziefer“, das „vergewaltigt und plündert“.
Doch erst der Socken-Schock führte zum Backlash. Die Gruppe „Mad Fucking Witches and Sleeping Giants“ rief zum Werbeboykott der Sendung auf. Über hundert Anzeigenkunden zogen sich von der umstrittenen 2GB-Show zurück. Der Sender verlor dadurch rund eine Million Dollar – und Jones bekam eine Verwarnung: noch ein Fehltritt, und er fliegt.
Der Vorsitzende von Macquarie Media erklärte nun vorige Woche ausführlich und verschwurbelt das Sprach- und Denkniveau, das man von seinen Moderatoren erwarte, und versprach eine Überprüfung von Jones’ Show. Eine Genugtuung für alle Kiwis, die auf nichts so empfindlich regieren wie auf Grobheiten von der anderen Seite des Teiches, von Feminismus ganz abgesehen.
Vorige Woche schaffte es ein weiterer Rechter, Jacinda Ardern zu brüskieren. Der „Christchurch Call“, für den sie nach Paris gereist war, um soziale Medien global zu diskutieren, ist für unseren National-Partei-Chef reine Zeitverschwendung. „Normale Kiwis“ würden sich dafür nicht interessieren. Seitdem debattieren alle erbost, was ein „normaler Kiwi“ denkt und will. Ein paar Fakten sind jedoch unumstößlich: Er oder sie verschlingt 28 Pies im Jahr. Aber keine Socken.
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