Die Wahrheit: Finnkaffeeland
Obskure Sportarten mit Pferden, schweigsame Filme, unfreundliches Wetter: Finnland ist ein Land der Extreme. Das trifft sogar auch auf Kaffee zu.
I ch trinke zu wenig Kaffee. Jedenfalls, seit ich aus Finnland zurück bin. Die Finnen schütten an jedem Ort und zu jeder Zeit Kaffee in sich hinein. In dieser Disziplin sind sie Weltmeister. Kein Land verbraucht mehr von den schwarzen Bohnen.
In Finnland gibt es Kaffee, wo du gehst und stehst. Und normalerweise ist immer ein refill im Preis enthalten. Das Nachfüllen. Also die zweite Tasse. Die Gastronomie in Deutschland verdient ein Wahnsinnsgeld mit Kaffee. Von wegen draußen nur Kännchen! Die Hälfte davon wäre in Finnland „ümmesüss“, wie der Ostwestfale sagt, also umsonst.
In Deutschland ist jetzt alles wieder so schrecklich normal. In Finnland hat man zwar oft das Gefühl, die Zeit sei vielerorts stehen geblieben, trotzdem ist man immer vorne dabei. Will man hierzulande mit Karte bezahlen, wird gern ein Mindestbetrag gefordert, im Norden begleichst du damit den Preis für ein Päckchen Streichhölzer.
Und die Finnen sind so abgrundtief verrückt. Deutsche walken mit Stöcken, die sie eher lustlos hinter sich her schleifen. In Finnland hingegen veranstaltet man längst „Hobby Horsing“. Das ist eine Riesenbewegung, nicht nur unter jungen Mädchen und Frauen. Mit einem aufwändig selbst gestalteten Steckenpferd werden verschiedene Disziplinen „geritten“.
Who's gonna ride that Hobby Horses?
Auf dem Sportgerät, das mal ein Kinderspielzeug war, werden kunstvoll choreografierte Dressurritte vorgeführt oder kraftraubende Hindernisparcours durchgaloppiert. Es gibt sogar offizielle finnische Meisterschaften im „Hobby Horsing“, zu denen inzwischen auch Teilnehmer aus anderen Ländern anreisen.
Sind beim Steckenpferdreiten die Frauen deutlich in der Überzahl, treten bei den finnischen Meisterschaften im „Water Cross“ auf dem Fluss Ivalojoki eher verwegene, junge Männer an. Mit Schneemobilen stehen sie am Ufer, warten auf das Startzeichen und geben dann Gas, sodass die Schneemobile zu Wassermobilen werden, die nun quasi auf Wasserskiern drei Wettbewerbsrunden ziehen. Wer falsch in die Welle des Vorderen fährt, wer in der Kurve zu viel Gas wegnimmt, der versinkt unweigerlich in den Fluten. Dann steigt die kleine leere Wasserflasche, die zuvor neben dem Lenkrad steckte, als Signalboje empor, damit die Fahrzeuge von Tauchern geborgen werden können, derweil ein Jetski den verunfallten Fahrer zum Zielsteg zieht.
Während „Hobby Horsing“ zart, mädchenhaft und lustig wirkt, herrscht beim „Water Cross“ eher eine harte, männliche Attitüde vor, aber witzig ist das auch. Vor allem ist all das pure Anarchie, getragen von stetem Fairplay.
Ich war angereist aus dem Land des Videobeweises im Fußball und der endlosen Diskussionen über jedes kleine Foul. Finnen würden nie mit dem Schiedsrichter diskutieren. Beim Spitzenspiel FC Lahti gegen Tabellenführer Ilves Tampere am Sonntagnachmittag vergnügten sich die Finnen lieber mit Kaffee. Kein Bier! Irgendwie muss der Kaffeeverbrauch ja zustande kommen.
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