Die Wahrheit: Meisterwerke des Britentums
Wenn ein Schotte und ein Engländer in einem Pub die Errungenschaften ihrer Teilvölker preisen, dann landen sie schon mal auf dem Münzklo.
I n der Abbotsford Bar, einem gemütlichen Wirtshaus im edwardischen Stil in Schottlands Hauptstadt Edinburgh, ist immer etwas los. Am Nebentisch streiten gerade ein Schotte und ein Engländer über Brexit und schottische Unabhängigkeit. „Von mir aus könnt ihr abhauen“, meint William, der Engländer. „Was habt ihr denn jemals für das Vereinigte Königreich getan?“
Archie, der Schotte, stellt eine Gegenfrage: Woher komme wohl das englische Wort für Asphalt? Tarmacadum setze sich aus „Tar“ (Teer) und McAdam zusammen. „Der Schotte John McAdam hat das Zeug nämlich 1820 erfunden, sonst müsstet ihr heute auf Sandpisten fahren.“ Darüber hinaus sei auch der Linksverkehr eine schottische Errungenschaft. „Er wurde nämlich 1772 per Gesetz in Schottland festgeschrieben“, sagt Archie. „Ihr Engländer seid erst 60 Jahre später drauf gekommen.“
Die erste Runde geht an Schottland. Archie holt sich an der runden Theke aus spanischem Mahagoni einen doppelten Bunnahabhain, einen Whisky von der Insel Islay.
William eröffnet die zweite Runde: „Wir haben den Fußball erfunden!“ Aber die erste, noch inoffizielle Fußball-Weltmeisterschaft sei 1909 von dem Schotten Thomas Lipton organisiert worden, und zwar in Turin, kontert Archie. Damals repräsentierten Vereinsmannschaften ihr jeweiliges Land. William fragt scheinheilig: „Und wer hat gewonnen?“ Er gibt selbst die Antwort: „Das englische Team West Auckland Town aus Durham!“
Dafür war Schottland bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 die einzige unbesiegte Mannschaft des gesamten Turniers, sagt Archie. „Aber ihr seid doch schon nach der Vorrunde ausgeschieden“, meint William. „Aber nur, weil Brasilien und Jugoslawien das bessere Torverhältnis hatten“, sagt Archie.
Die Runde geht trotzdem an William. Er holt sich ein warmes Real Ale an der Theke. Archie behauptet nun, das WC sei eine schottische Erfindung. Der Uhrmacher Alexander Cummins habe sie im 18. Jahrhundert patentieren lassen. „Ein geldgieriger Engländer, der Zauberkünstler John Nevil Maskelyne, hat hingegen hundert Jahre später das Münzklo erfunden, in das man einen Penny einwerfen muss, bevor sich die Tür öffnen lässt. Und jetzt wollt ihr uns auch noch euren Brexit aufzwingen.“
Ihr Schotten seid daran doch selber schuld, meint William. Der damalige Premierminister David Cameron, der das Brexit-Referendum anberaumt hatte, sei schließlich Schotte. Höchstens ein Sechzehntel-Schotte, antwortet Archie. „Sein Ur-Ur-Großvater stammte aus Aberdeen und residierte im Blairmore House.“ Apropos Blair, sagt William: Der Ex-Premier stamme ja wohl aus Edinburgh und sein Nachfolger Gordon Brown aus Glasgow. „Auf die beiden sind wir genauso stolz wie auf die Vogelgrippe, die 1959 zum ersten Mal weltweit in Aberdeenshire aufgetreten ist“, seufzt Archie und genehmigt sich einen dreifachen Bunnahabhain.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau