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Die WahrheitStandort Armutsbucht

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Mancherorts werden Orts- und Flurnamen aus der Kolonialzeit remaorisiert. Die alten Namen sind poetischer.

D ie Engländer, die Neuseeland kolonialisierten, waren pragmatisch. Sie mussten Robben schlachten, Wälder roden und sich mit widerspenstigen Eingeborenen herumschlagen. Da gab es keine Brainstormings mit Branding-Agenturen, um sich schöne Begriffe für die einverleibten Gebiete auszudenken, die 180 Jahre später Touristen anlocken. Historische Befindlichkeiten auszuloten, war auch nicht der Pioniere Ziel.

Außerdem hatten die Niederländer, die den Kontinent als erste Europäer geortet hatten, bereits mit dem Namen „Nieuw Zeeland“ jede Kreativität im Keim erstickt: Ein neues Land mit einzigartiger Natur, Flora und Fauna – aber benannt nach einer langweiligen Provinz in Holland. Dass das Land bereits einen indigenen Namen hatte, zählte nicht. Angeblich rief die Frau des polynesischen Entdeckers Kupe begeistert „Aotearoa!“ aus – Land der langen weißen Wolke –, als sie sich im 10. Jahrhundert erstmals seinen Ufern näherte.

Ob Mythos oder nicht: Jeder maorische Zungenbrecher, allen voran der Ort „Taumatawhaka­tangihangakoauauotamateaturipukakapikimaungahoronukupokaiwhenuakitanatahu“, klingt besser als der Name, den der englische Seefahrer Käpt’n James Cook einer Bucht im Osten der Nordinsel gab. Eigentlich wollte er den Landstrich „Endea­vour Bay“ taufen, was von nobler Anstrengung zeugt. Doch seine Männer kamen an Land mit den Maori nicht so gut zurecht und mit leeren Händen aufs Schiff zurück. So entstand Poverty Bay – Bucht der Armut.

Seit 250 Jahren ist die fruchtbare Gegend dadurch gebrandmarkt. 47.000 Menschen leben dort, fast die Hälfte Maori. Ländlich, aber nicht arm. Außerdem heißt die Bucht seit eh und je eigentlich Turanganui a Kiwa, übersetzt „der große Standort von Kiwa“. Kiwa war ein Maori-Seefahrer und deshalb weniger berühmt als Cook. Die Kinder und Lehrer der kleinen Kaiti-Grundschule in der umstrittenen Bucht haben jetzt die Stadtverwaltung von Gisborne davon überzeugt, dass die Poverty Bay zurückbenannt wird. Ab Mai wird der neue alte Name dann amtlich.

Und spätestens ab dann wird es all die Proteste und Bedenken hageln, die es seit einem Jahrzehnt gibt, wenn in Aotearoa Namen remaorifiziert werden – so die Verwendung von „Te Ika a Maui“ (der Fisch von Maui) und „Te Wai Pounamu“ (die Jade-Gewässer) als poetischere und politisch korrektere Alternativen für Nordinsel und Südinsel. 2008 sorgte die Beigabe des Buchstabens „h“ im Städtenamen von Wanganui, ursprünglich und jetzt wieder Whanganui, für einen nationalen Aufschrei.

Den ersten Siedlern ohne Maori-Wörterbuch kann man vielleicht noch nachsehen, dass sie das Küstenkaff Te Awaiti zu Tarwhite verhunzten, Whakaari zu White Island und die Region Otokou zu Otago. „Nigger Hill“ und „Nigger Stream“ verzeiht man dagegen weniger. Die heißen jetzt wieder offiziell Kanuka Hill und Pukio Stream. Hat aber bis 2016 gedauert.

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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