Die Wahrheit: Tote sterben nicht aus
17 Verstorbene bei 50 Kandidaten: Neue Bestmarke der britischen Death List im Jahr 2017. Und der Ausblick für 2018 ist rosig …
Es war wahrlich kein gutes Jahr für das weltweite Prominententum. Auf der wunderbaren Website deathlist.net, erstellt im Königreich Großbritannien, ist ein neuer Rekord aufgestellt worden: 17 von 50 prognostizierten Celebreties haben dem Schnitt des eisigen Sensenmanns nicht ausweichen können; erfolgreich vorhergesagt wurden zum Beispiel: Fats Domino, Jerry Lewis, Hugh Hefner sowie die Schauspielerinnen Liz Dawn und Mary Tyler Moore.
Bislang hatte der Bestwert in einem Kalenderjahr bei 14 gestanden. Die Prominenten scheinen also auszusterben, eine egalitärere Gesellschaft näherzurücken. So könnte man optimistisch schlussfolgern. Die Erfahrung lehrt allerdings: Prominente, vor allem unerträgliche, wachsen nach wie Krebsgeschwüre.
Experten für Totgeweihte
Seit dem Jahr 1987 erstellt bis zum Silvesterabend das Deathlist-Expertenkomitee eine Liste von 50 Todgeweihten des folgenden Jahres („On today, gone tomorrow“). Größe und Besetzung des Komitees sind geheim. Bedingung für das Listing: Die Person muss so bekannt sein, dass britische Medien über ihr oder sein Dahingehen berichten werden. Von den überlebenden Leftovers eines Jahres dürfen höchstens 25 im folgenden Jahr auf der Liste erneut erscheinen – das garantiert eine gewisse Fluktuation. Bislang lag der Rekord bei 14 Treffern im Jahr 2015 – dank Helmut Schmidt. Der Exkanzler, letzter verstorbener Deutscher auf der Death List überhaupt, hatte damals als finaler Promitoter des Jahres den Bestwert garantiert. So bekam er den begeisterten Nachruf mit dem Titel: „Schmidt’s a Hit“.
Ein Nachruf steht allen zu, passend zum Wirken oder zum Beruf. David Rockefeller, reichster US-Bürger ever und gleichzeitig Großspender, bekam 2017 als Farewell die Zeile: „He has given his all.“ Der Boxer Errol Christie war „ausgezählt für immer“, die Rugby-Ikone Joost van der Westhuizen „über die Mallinie gegangen“. 2016 gab es „die letzte Resolution für Boutros Boutros-Ghali“, den früheren UN-Generalsekretär. Nancy Reagan wurde „First Lady – of the Year“, als sie als erste todesgelistete Frau 2016 dahinschied. „Der letzte Aufstieg“ war 2010 für den französischen Kletterspezialisten im Radrenntrikot Laurent Fignon gekommen, „Caught in the Rye“, las man zum Tod des Schriftstellers J. D. Salinger.
Nur einer konnte in diesem Mai wenig Respekt erwarten. Ian Brady war ein bis zum Tod reueloser fünffacher Kinderschänder und Kindermörder aus den sechziger Jahren, ähnlich Jürgen Bartsch, dem pädosexuellen Essener Killer aus der gleichen Zeit. Brady bekam hinterhergerufen, er habe „durch Herzinfarkt im Alter von 79 Jahren seinen ersten positiven Beitrag zur Gesellschaft geleistet. Die Welt ist dadurch eine kleine Idee besser geworden.“
Bei Rumäniens Exkönig Michael (96), der im Dezember als Letzter des 2017er Jahrgangs ging, wurde lediglich hervorgehoben, dass er ein Cousin von Elisabeth II. war.
Beruf Königin
Womit wir bei der Königin wären. Ihre Majestät schien bis auf eine Ausnahme vor vielen Jahren lange Zeit tabu, anders als ihr Gatte Prinz Philip (96, „Gelegenheitsrassist“), der nun schon seine sechste Nominierung überlebte. 2017 aber tauchte Elisabeth II. (91, „Beruf: Queen“) endgültig in der Liste auf. Und wie es sich für das Königreich gehört, gab es bei niemandem auch nur annähernd so viele Kommentare im Deathlist-Blog wie bei ihr. Die Queen Mother übrigens („Description: Entertainer“) brauchte 14 Anläufe, bis sie 2002 mit 103 Jahren ihre Corgis alleine ließ.
17 Treffer im Jahr 2017 – alle Achtung. Aber auch: Achtung, werte Prominenz, noch hält das Jahr ein paar potenzielle Todesstunden parat. Spitzenkandidaten auf Abruf sind die über Hundertjährigen auf der Liste – wie die Mimen Kirk Douglas (15. Nominierung, Rekord!) und Olivia de Havilland (101), gefolgt von Evangelist Billy Graham (99) und den Aspiranten Jimmy Carter, Lord Carrington und Pierre Cardin.
Einziger Deutscher bei den bislang überlebenden 33 ist Expapst Benedikt XVI. Als er Großchef des Katholikentums wurde, meldete Bild bekanntlich: „Wir sind Papst“. Was, wenn er sein letztes Gebet bereits gesprochen hat? Für die Deathlist-Macher wäre diese Überschrift logisch: „Germany has died.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Olaf Scholz in der Ukraine
Nicht mit leeren Händen