Die Wahrheit: Die Blutgrätsche für Beamte
Neues aus der Welt des Fußballs: Ein Relaunch des Spitzensports Nummer eins ist in der Sommerpause dringend erforderlich.
Sommerpause. Sobald Fußballhasser dieses Wort hören, taumeln sie glückstrunkend durch die vom Public Viewing befreiten Innenstädte. Ohne Gefahr zu laufen, unter die Räder marodierender Hooligan-Banden zu geraten oder sich einen doppelten Kreuzbandriss durch herumliegende Bierbecher zuzuziehen.
Doch sollte diese Zeit der Sommerpause auch genutzt werden, um innezuhalten und nachzudenken, wie es um den einst so geliebten Sport steht, der selbst bei „Hardcore-Fans“ (Bravo Girl) immer weiter in Ungnade fällt: Kommerzialisierung, Ausverkauf, Langeweile, Laizismus – so die Vorwürfe. Unternehmensberater wissen: Läuft der Ball nicht mehr rund, dann ist es höchste Zeit für einen Relaunch. Glücklicherweise lässt sich der mit einfachen Maßnahmen schon zur nächsten Spielzeit umsetzen.
Horrende Spielergehälter und groteske Ablösesummen empören nicht nur die Öffentlichkeit. Auch die Superstars verlieren allmählich den Überblick über ihre Briefkastenfirmen. Hier lässt sich leicht Abhilfe und Ordnung schaffen: Spieler werden verbeamtet. Ab sofort.
Ordnungsgemäßer Versetzungsantrag
Wenn ein Spieler den Verein wechseln möchte, stellt er bei der jeweiligen Landesbehörde einen Versetzungsantrag (bitte unbedingt die Antragsfristen beachten!). Wichtig: Für den ordnungsgemäßen Wechsel muss zwingend die Profifußballerbefähigung von der aufnehmenden Landesbehörde anerkannt werden. Ein lückenloser Nachweis der Ausbildungszeiten ist dafür unerlässlich.
Wann hat der Spieler das erste Mal gegen einen Ball getreten? Mit welchen Mitspielern hat der Antragssteller bisher Fußball gespielt? Hier sind schriftliche Bestätigungen der infrage kommenden Personen zwingend erforderlich. Gab es Nebentätigkeiten in anderen Sportarten wie Kinderturnen, Schulschwimmen, Bockspringen oder Völkerball? Der Job des Spielerberaters wird sich in diesem Kontext verändern müssen. Da die aufwendigen Verhandlungen über Gehalt und Ablösesummen durch die Verbeamtung wegfallen, können sich die Berater dann voll und ganz auf das Ausfüllen von Formularen konzentrieren.
Die Spielergehälter orientieren sich in Zukunft am Gehalt von Gymnasiallehrern: A 13, also rund 4.000 Euro brutto im Monat, mit Urlaubs-, Krankheits- und Weihnachtsgeld. Aufgrund der Arbeitszeitregelung fallen die lästigen Überstunden bei Verlängerung und Elfmeterschießen weg.
Darüber hinaus bedarf es einer weiteren Maßnahme, um den Sport auch inhaltlich nachhaltig zu verändern. Fußball und seinen Fans wird bekanntlich eine gewisse Stumpfheit nachgesagt. Sobald aber ein Protagonist wie Pep Guardiola erscheint und mühelos einen Konditionalsatz formuliert, brechen Zuschauer und Kommentatoren in Begeisterungsstürme aus.
Richtig ist: Mehr Intellektualität auf dem Rasen hieße, neue Zuschauer zu gewinnen. Auch solche, die sich bisher verächtlich von dem Volkssport unter Verweis auf seine proletarischen Wurzeln abgewandt haben.
Beispiel Torlinien-Technik: Die Frage nach Tor oder Nicht-Tor hat nicht nur Shakespeare’sche Dimensionen, sondern bietet die ideale Chance, etwas Grundlegendes zu revolutionieren: Ob der Ball im Tor war oder nicht, wird jetzt nicht mehr gemessen, sondern diskutiert.
Wenn der junge Abwehrstar nach dem Torschuss des Gegners schlüssig anhand von Quantenphysik und Schrödingers Katze darlegen kann, warum sich der Ball gleichzeitig sowohl im Tor, als auch außerhalb des Tores befindet und der Treffer daher leider (noch) nicht zählen kann, dann bekommt das Spiel eine ganz neue Dynamik.
So entsteht ein neuer Spielertypus, der weniger auf körperliche, als vielmehr auf geistige Fitness setzt. Der sich auch während des Spiels eine Auszeit an der Eckfahne gönnt und dort philosophische Essays studiert, bei einem guten Glas Primitivo.
Strömungen des Nihilismus
Wenn dann in der 20. Minute eine spontane Diskussion im Strafraum entsteht und sich – bei leichten Knabbereien – die Spieler mit dem Schiedsrichter angeregt über verschiedene Strömungen des Nihilismus in Zeiten der Blutgrätsche austauschen, ja dann durchläuft ein Zittern die Südkurve. So viel Geist auf dem Platz war nie! Aber wo doch Sinn und Ziel in unserem Leben nicht anwesend sind, braucht es dann einen Gewinner auf dem Platz? Selbstverständlich nicht! Und erst recht keine Instanz, die über die Spieler richtet.
Der Schiedsrichter wird, von den Zwängen seines Amtes entledigt, die Pfeife niederlegen. Er wird aus der gelben und roten Karte und dem überdimensionierten Dekra-Abzeichen einen großen Joint drehen und diesen in einem Akt der Selbstbefreiung im Mittelkreis rauchen. Danach wird er sich ein kleines Erdloch am Elfmeterpunkt graben und dort als Eremit der schmerzhaften Erkenntnis nachgehen, dass alles in allem Nichts ist.
Die Spieler werden währenddessen die Anarchie auf dem Platz ausrufen. Alles ist erlaubt: Kopulationen mit Torpfosten, Ehebünde mit Rasenstücken, Gewaltausbrüche gegenüber Vereinsmaskottchen, Bengalos rauchen und Seitenlinien koksen. Nicht zu vergessen – Gelage und Orgien jedweder Couleur.
Endlich dürfen auch die Nicht-Ronaldos der Fußballwelt Narzissmus und ungebremste Individualität auf dem Feld zur Schau stellen! Der Stürmer als Pandabär verkleidet, der Mittelfeldregisseur im schicken Jersey-Anzug, der Torwart nackt – endlich jeder nach seiner Fasson. Dann und nur dann schmerzen auch die massiven Einkommensverluste durch die Verbeamtung ganz sicher nicht mehr.
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