Die Wahrheit: Ozean ergo summ!
Vom Rauschen des Meeres und anderen Geräuschen, die aus den Tiefen der Ozeane an die Ränder unseres Gehörs dringen.
Die Erde brummt, der Ozean summt! Das ist die Kurzformel, auf die sich jüngere wissenschaftliche Forschungsergebnisse bringen lassen. Das Brummen der Erde entdeckten hellhörige japanische Wissenschaftler, und die Erkenntnis, dass der Ozean summt, verdanken wir Ozeanograen der Universität San Diego, die dem Ozean aufmerksam lauschten.
Doch in Wirklichkeit ist es nicht der Ozean, der summt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Summen im Meer von drei konzertanten K-Gruppen intoniert wird, den Knochenfischen, den Krustentieren und den Kopffüßlern, die alle in 200 bis 1.000 Metern Tiefe leben.
Vergleichbar ist das Summen bei Einbruch der Dunkelheit ein wenig mit dem Pfeifen eines Wanderers im Walde, denn das Summen ist erst zu vernehmen, wenn die drei Tiergruppen aus ihrer Dämmerzone in höhere Regionen aufsteigen. In der Zone des Dösens haben sie, ohne zu summen, vorher den Tag verdämmert, gut geschützt vor Fressfeinden.
Bei Einbruch der Nacht steigen die Dämmerzonentiere zur Wasseroberfläche hoch, um sich dort den Bauch mit nahrhaftem Phytoplankton vollzuschlagen. Satt, schwer und zufrieden sinken die Planktonfreunde dann noch vor Sonnenaufgang wieder in ihre vertraute Zone des Dämmerns.
Nächtliche Streifzüge durch Wasserschichten
Warum die Knochenfische, Krustentiere und Kopffüßler nun alle summen bei ihren nächtlichen Streifzügen durch die oberen Wasserschichten, weiß auch Simone Baumann-Pickering von der Uni San Diego nicht. Sie beschreibt es aber launig in mare als „Essensglocke für Millionen Organismen“.
Ein irritierender Vergleich, denn welche Essensglocke klingelt schon während der gesamten Mahlzeit? Naheliegender ist, das nächtliche Summen als permanenten akustischen Ausdruck des Sichwohlfühlens zu verstehen. Sieht man nicht förmlich, wie die satten Kopffüßler sich zufrieden summend bei ihrer reichen Mahlzeit den Bauch reiben? Ein Verhalten, das allerdings seltsam aussehen würde, da bei den Cephalopoden der Bauch ja auf dem Kopf getragen wird.
Doch die Ozeane summen nicht nur, sie brausen auch noch kräftig. „Ihr Brausen ist hauptsächlich Blasenlärm“, weiß die Zeit. Und womit zischt die Gischt? Am lautesten brausen in der Brandung die „crying infant microbubbles“. So nennen die Blasenforscher die kreischenden Kleinkinderblasen. Die „kleinen Krachmacher“ (Zeit) sind mikrometerklein oder genauer gesagt winzig klein, kaum dass man sie sehen kann. Diese Babyblasen schreien kurz, aber durchdringend. Und jede Blase im Ozean singt ihr eigenes Lied, nach ihrer Entstehung in der Brandung vibriert sie zunächst Momente lang sanft, um in einem „grandiosen Finale zu zerplatzen“ (Zeit).
Prickelforscher auf Blasenhorchdienst
Eine interessante Gesetzmäßigkeit fanden die Prickelforscher dabei heraus: Je dicker die Blase, desto tiefer der Ton. Die kleinen Blasen leben dafür länger als die größeren Tieftöner. Die Hülle der Mikroblasen wird von organischer Materie, vulgo Schmutz, verstärkt. Aber auch die kleinen Blasen altern schnell und verstummen bald final.
Der schönste Ort für die akustischen Forschungen der Prickelforscher ist zweifellos der Strand bei Opalu auf der Insel Kauai, wo der brausende und summende Ozean auf den „bellenden Sand“ trifft! Doch nicht nur der hawaiische Strand kann bellen, überraschenderweise können Rote Piranhas das auch, wie Forscher von der Universität Lüttich herausfanden.
Der Hund wird also im modernen menschlichen Haushalt langsam überflüssig, es reicht zur Abschreckung ein Aquarium mit Roten Piranhas, die jeden Eindringling verbellen. Dazu summt das Aquarium zufrieden, und die Erde macht, was sie am besten kann, sie brummt.
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