Die Wahrheit: Meine No-Go-Areas
Es gibt Orte, an denen gelten Arschloch-Mantras. Flohmärkte gehören dazu.
G ibt es in Deutschland eigentlich No-go-Areas? Für mich gibt es die schon lange! Ü-40-Partys zum Beispiel, Spaßbäder, NPD-Parteitage und diese Läden, in denen es nach aromatisierten Radiergummis stinkt. Diese Orte meide ich wie der Teufel das Weihwasser.
Und Flohmärkte. Die hasse ich wirklich. Flohmärkte bringen das Schlechteste im Menschen hervor. Gier und Geiz. Sie sind der Kapitalismus in einer Nussschale. Flohmärkte sind ein Sammelbecken für Gesindel. Flohmarktprofis sind oft alte Hippies, und die waren ja schon immer politisch unzuverlässig. Wenn sie jemals Ideale hatten, die über miese Frisuren, dämliche Drogen und häufig wechselnden Geschlechtsverkehr hinausweisen, dann haben sie die schon lange verloren.
Auf dem Flohmarkt treiben sie das Prinzip von Angebot und Nachfrage auf die Spitze. Früh morgens kaufen sie armen Amateuren Plunder ab, den sie kurz darauf für das Zehnfache wieder verticken. Flohmarktprofis leben nach den drei Arschloch-Mantras: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ich hab die Regeln nicht gemacht. Jeder ist seines Glückes Schmied.
Ihre Augen sind wässrig geworden vom vielen Lügen: „Das ist original fünfziger Jahre.“ – „Bei Ebay zahlste da en Hunni für.“ – „Gestern hat das noch einwandfrei funktioniert.“ Ich habe solche Augen schon mal gesehen. Bei Pressesprechern von Nestlé oder Shell. Anderen Profi-Schuften eben.
Der allerschlimmste Ort aber ist das Fußballstadion. Das Prinzip lautet: Ich trage einen roten Schal, deshalb hasse ich alle, die einen grünen Schal tragen. Verbunden mit: Lokalpatriotismus. Der mindestens ebenso retardierte kleine Bruder des Patriotismus. Der große mit brutaler Hackfresse in eine Deutschlandfahne gehüllt, der kleine mit flackerndem Psycho-Blick und Köln-Wappen auf der Wange. In uns allen wohnt ein kleiner Nazi, der mal unreflektiert rumbrüllen will, im Stadion darf er raus.
Schon bei der Anreise müssen die feindlichen Gruppen mit einem großen Polizeiaufgebot auseinandergehalten werden, weil sie sonst aufeinander losgehen würden. Das muss man sich mal vorstellen. Nur weil sie Anhänger eines anderen Sportvereins sind. Ich meine, jeder ist ja Fan von irgendwem. Aber wir Bernd-Begemann-Fans würden nie auf die Idee kommen, die Spacken auf einem Revolverheld-Konzert anzugreifen. Die sind zwar doof, aber so was tut man eben nicht. Wir laufen auch nicht herum und grölen: „Revolverheld, die dümmste Band der Welt, intellektuell meilenweit entfernt, von unserem Bernd.“ Obwohl es stimmt.
Betrunkenes Grölen in großen Gruppen, undifferenzierter Hass, bedingungslose Treue zur eigenen Organisation, unsanktioniertes schlechtes Benehmen in öffentlichen Verkehrsmitteln – das macht die Faszination Fußball aus. Vielleicht sollte ich ja froh sein, dass all diese Energie, all dieser Hass, kanalisiert wird in so etwas komplett Unwichtiges wie Fußball. Aber es funktioniert ja nicht. Sonst gäbe es keine Nazi-Hooligans. Typen, die einfach alles kaputt machen. Sogar meine Schlusspointe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld