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Die WahrheitSpielball der Kritik

Niemand mag den WM-Ball Jabulani. Soll er doch sehr eigen sein. Wer aber sind eigentlich die Kritiker der Kugel?

Eine Menge heiße Luft passt in Jabulani, was in der Sprache der Zulu so viel heißen soll wie „Sei glücklich!“. Bild: ap

Kein Wunder, dass der WM-Ball Jabulani so depressiv dreinschaut: Alle Welt tritt auf ihm herum. Kein lobendes Wort über sein griffiges "Gripn Groove Profil", das dem Ball seine "perfekte Griffigkeit" verleiht, wie Adidas in fast perfekter Public-Relation-Prosa schreibt. Das griffige Modell machen "die künstlichen Nähte sogar noch griffiger, wenn er feucht ist", behauptet die Herstellerfirma aus dem fränkischen Herzogenaurach nassforsch. Dazu kommt noch eine "nie da gewesene Rundheit"!

All das will der englische Torwart David James, genannt: "Calamity James", nicht begreifen, denn er urteilt harsch über den armen Jabulani: "Der Ball ist furchtbar, schrecklich - aber schrecklich für alle. Und er wird dafür sorgen, dass bei der WM Tore fallen werden, die sonst nicht gefallen wären." Vorher hatte James für solche Tore immer selbst gesorgt. Aber nicht ungeschickt, Mr James, so einen Beitrag nennt man vorauseilende Schuldzuweisung für einen noch zu begehenden Torwartfehler.

Dabei sollte er sich doch bei seinem Landsmann Dr. Andy Harland beschweren, der den ach so furchtbaren Ball an der britischen Loughborough University entworfen hat. Dieser freut sich wahrscheinlich schon auf Calamity James Grotesken im Tor des englischen Teams. Das ist britischer Humor, wie wir ihn mögen.

Marten Olsen, der dänische Nationaltrainer, fabuliert davon, dass der Ball "seinen eigenen Kopf hat". Man könnte sogar sagen, dass der Ball sein eigener Kopf ist. Der letzte Mann der italienischen Squadra, "Puma" Buffon, nennt den Ball "eine Schande", und sein Kollege Giampaolo Pazzini ("Der Patzer") hält ihn für "eine Katastrophe". Schön, wenn die Italiener nervös werden.

Wie viel gelassener urteilt da der deutsche Stürmer Mario Gomez über Jabulani: "Er geht richtig ab, wenn man ihn richtig trifft." So etwas will man doch hören und nicht das kleinliche Gekrittel vom Brasilianer Fabiano: "Ganz plötzlich verändert er seine Flugbahn", klagt er. Heul doch, Fabiano!

Natürlich verändert Jabulani seine Flugbahn, er ist schließlich der Nachfolger von EM-Ball "Roteiro", dem Rotierenden, der die durchdrehenden Griechen zum Europameister 2004 machte.

Englands Trainer Capello klagt über Jabulani: "Meine Spieler haben Schwierigkeiten mit der Ballkontrolle, wenn der Ball hart getreten wird." Tja, schlecht, wenn man eine Truppe Grobmotoriker zur Weltmeisterschaft antreten lässt.

Anstatt zuzugeben, dass er vor dem neuen Schnibbelball Angst hat, mäkelt auch Brasiliens Torhüter Cesar an Jabulani herum, der Ball sei "wie aus dem Supermarkt". Als ob der Herr Millionario dort einkaufen würde. Doch das bizarrste Ball-Bashing kommt von einem brasilianischen Stürmer: "Der Ball verhält sich, als wolle er nicht getroffen werden." Warum sollte er das? Und vielleicht will er nur von dir nicht getroffen werden? Oder sollte Adidas den Ball auf eine neue Evolutionsstufe gehoben und das erste intelligente Spielgerät vorgelegt haben? Selbstverständlich mit dem Deutsche-Mannschaft-Bevorzug-Gen!

Wir sehen Jabulani schon, wie er beim Elfmeter ein klitzekleines Stück beiseite rollt und der englische Schütze voll übers Tor semmelt. Oder das unwiderstehliche Solo des Balles von der Strafraumgrenze um drei Verteidiger und den Torwart herum, nicht am Fuß eines Spielers, sondern ganz allein vor sich hin rollend. Wir sehen dupierte Torhüter, verzweifelte Abwehrspieler. Aber eins ist sicher: Wenn hier etwas flattert, dann ist es nicht der Ball, sondern es sind die Nerven unserer Gegner!

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2 Kommentare

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  • DM
    Dr Michi

    Wie weitsichtig, dieser Text. Ist nicht dem englischen Torhüter in der Tat der Ball aus der Hand gerutscht, was dann den Ausgleich für die USA brachte?

  • P
    Piko

    Das Gezänk um den Ball ist eine undurchsichtige Posse und zeigt die verschiedenen Facetten des modernen Profisports.

    Zu erst einmal der Ausrüster: Er produziert nicht nur Sportgerät, sondern Lifestyle-Produkte. Der Sport wird als totales Spektakel inszeniert. Dazu gehört, dass das Spiel schneller wird und sich spektakuläre Szenen abspielen. Ein Ball, dessen Flugbahn unter bestimmten Bedingungen unvorhersehbar ist, kann dabei einen großen Beitrag leisten.

    Zweitens sind da die Spieler, die Angst vor eigenen Fehlern bzw. der Unberechenbarkeit des Spielgerätes haben. Sie sehen ihr Recht auf faire Wettkampfbedingungen den Interessen der Ausrüster geopfert und reagieren dementsprechend verbittert.

    Drittens sind da die Spieler, die vielleicht eine besondere Beziehung zum Ausrüster haben (Werbevertrag usw.) oder an ein konkurrierendes Unternehmen geben sind. Natürlich äußern sich diese Profis loyal ihrem Vertragspartner gegenüber.

    Zu letzt und als ausschlaggebende Partei in dieser Frage ist das Publikum zu nennen. Es wird unterstellt, dass die Zuschauer viele Tore und Höhepunkte sehen wollen und kein taktisches Ballgeschiebe. Das deckt sich also mit den Vorstellungen der Ausrüster und insofern ist davon auszugehen, dass man in Zukunft noch mehr Veränderungen am Ball oder den Regeln sehen wird, die in diese Richtung gehen.

     

    Für den unbeteiligten, weil weniger fußballinteressierten Medienkonsumenten stellt sich natürlich die Frage, warum wird das Thema fast überall aufgegriffen und so wichtig gemacht? Letztlich spielen doch alle mit dem selben Ball. Da könnte sich der Gedanke einschleichen, dass diese Posse nicht nur etwas über den Profisport, sondern auch über die Medienlandschaft erzählt: Nämlich, dass Konzerne mit bedeutenden Werbeetats auch bedeutenden Einfluss auf den Inhalt der wichtigsten Medien haben und dass der Streit um den Ball lediglich eine PR-Kampagne ist.