Die Wahrheit: Tamponkontrolle im Museum
Was ist politisch korrekt? Was darf man tun und sagen, was nicht? Und warum, verdammt noch mal, ist das immer alles so kompliziert?
E s ist die Zeit der Jahresrückblicke, der Pleiten und Pannen. Viel bekomme ich nach sieben Jahren im Exil aus der alten Heimat nicht mehr mit, und das meiste nur dank dieser in unregelmäßigen Abständen und meist mit einer Woche Verspätung eintrudelnden Zeitung. Durch die Zeitverschiebung haben sich dann beim Lesen viele Debatten bereits relativiert.
Die Splitter bleiben: Sarrazin, Broder, Jud bös, Moslem süß-sauer, Gucci-Apo an der Elbe, Kopftuchterror in Berlin - ich blicke kaum noch durch, wer wieder Rassist der Woche wurde und wem gerade Abscheu und Empörung gebührt. Letztlich geht es, wenn ich das aus 18.000 Kilometer Entfernung richtig erfasse, doch immer nur um eines: Was ist politisch korrekt? Was darf man tun und sagen, was nicht? Und warum, verdammt noch mal, ist das immer alles so kompliziert?
Liebe Eurozentristen, mit diesen Fragen seid ihr nicht alleine. Denn auch ich lebe jetzt in einer Gesellschaft, die viel Schuld auf sich geladen und historisches Unrecht gutzumachen hat (Stichwort Maori. Land- und Kulturraub). Eine Nation, die fortschrittlich denkt (atomfrei! Und erstes Wahlrecht für Frauen), keine Minderheiten ausgrenzt (10.000 deutsche Einwanderer, davon ein Drittel radikalisierte Birkenstockträger) und sich ihr sauberes, grünes, gewaltfreies Image einiges kosten lässt (Milliarden-Dollar-PR-Kampagne namens "Der Herr der Ringe").
Auch uns in Aotearoa treiben Fragen der politischen Korrektheit täglich um. Bei der wichtigsten in diesem Jahr ging es um "den Einmarsch der Kommunisten ins Sommerhaus" - ein mir bis dahin unbekannter Ausdruck für die schnöde Periode. Mal wieder kamen sich die Errungenschaften dieser aufgeklärten Nation - Feminismus und Bikultur - in die Quere.
Te Papa ist Wellingtons Vorzeigemuseum: sehr interaktiv, sehr politisch korrekt, sehr bikulturell. Man kann da auf viele Knöpfe drücken und ganz viel über die polynesischen Ureinwohner lernen. Kinder, Touristen und Ethnologen lieben es. Kulturschätze der Maori lagern dort. Einige davon sollten in einer exklusiven Besichtigung ausgewählten Gästen gezeigt werden.
In der Einladung dazu hieß es, schwangere und menstruierende Frauen hätten der Ausstellung jedoch bitte fernzubleiben, weil sie "tapu" seien. Das bedeutet "verboten". In manchen Kulturkreisen heißt das "unrein". Menstruierende Maori-Frauen durften früher auch keine Nahrung sammeln. Seit die Hauptnahrungsquelle Fish n Chips sind, sieht man das lockerer.
Neuseelands Feministinnen schlugen Alarm. Wieso eine staatliche Institution diese frauenfeindlichen religiösen Sitten fördere? Das Museum sah sich in der Zwickmühle. Niemand habe vorgehabt, Besucherinnen auf Tamponfäden zu kontrollieren. Aber wer sich nicht an das Maori-Tabu halte, der könne nach altem Glauben Geisterhaftes widerfahren. Einige der Ausstellungsstücke seien in Kämpfen benutzt worden. Man wolle also nur Frauen vor dem Schlimmsten beschützen. Klingt doch fast so wie bei den Kopftuchtraditionalisten in Neukölln. Kleine Welt.
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