Die Wahrheit: Verkehrskontrollorgane
Nachdem wir bei der blöden Party alles ausgetrunken hatten, fuhren Zimmerwald und ich, wie wir das bei solchen Gelegenheiten immer taten, in Zimmerwalds Kleinwagen heim,..
...das heißt, er übernahm Lenkrad und Gangschaltung, ich vom Beifahrersitz aus die Pedale, weil der Fahrer ihnen ihre jeweilige Funktion nicht mehr korrekt zuordnen konnte und überdies seine Unterschenkel kaum noch spürte. Doch will ich mich da im Rückblick nicht festlegen, es ist ebenso gut möglich, dass ich lenkte, weil Zimmerwald nichts mehr sah und lediglich noch auf Zuruf die Pedale zu treten vermochte. Es ist für das hier zu Berichtende auch nicht wichtig, geschweige denn entscheidend.
Wir rollten oder fuhren also dahin, gar nicht recht wissend, wie. Zimmerwald fantasierte kreischend von etwas, das, wenn ich mich zutreffend erinnere, klang wie "Lubrikation nach Gutsherrenart". Mit einem Mal wurde unsere so reibungslos funktionierende Fahrverrichtung empfindlich gestört, im nächsten Augenblick kam sie gar völlig zum Erliegen. Verkehrskontrolle!
Zwei uniformierte Polizeibeamte, die bis jetzt gelangweilt neben ihrem Einsatzwagen gestanden hatten, hielten uns an. Sofort wünschte ich, tot zu sein, Zimmerwald brummte: "Hier irrt Gott!" Kein Zweifel, die Stimmung war dahin.
Auf unsere arbeitsteilige Weise brachten wir den Wagen zum Stehen. Sich in sein Schicksal ergebend, ließ Zimmerwald die Scheibe der Fahrertür hinunter. Die beiden Verkehrspolizisten steckten ihre Köpfe ins Wageninnere. Der erste sagte: "Guten Morgen, wir sind die … na, wie heißt das noch gleich?" - "Polizei?", schlug Zimmerwald vor. Erfreut rief der seines Berufs nicht Sichere: "Genau! Woher wissen Sie das?" Der bewundernswerte, von mir seit Jahrzehnten bewunderte Zimmerwald antwortete ohne zu zögern: "Wir sind selbst Polizisten." - "Echt?" riefen die beiden simultan. "Nein", gab Zimmerwald bescheiden zu, "ich hab nur Spaß gemacht."
Jetzt waren sie wachsam geworden. Man merkte es an der sogleich folgenden spitzfindigen Frage: "Haben Sie was getrunken?" - "Nur ein Vorsorgeschnäpschen", erwiderte Zimmerwald. Der, der noch nichts gesagt hatte, erkundigte sich unvermittelt ausgerechnet bei mir: "Dann sind Sie wohl der … der Dings … der Beifahrer?" - "Ich lenke", sagte ich, vielleicht gab ich aber auch an, Gas, Kupplung und Bremse zu bedienen. In der nächsten Sekunde dämmerte mir, wie problematisch diese Auskunft war, doch schien das nicht aufzufallen. Vielmehr fragte der Polizist, der die Unterhaltung eröffnet hatte, ganz unverblümt: "Können Sie uns fünftausend Euro geben?" Mir stockte der Atem, Zimmerwald aber konterte: "Nehmen Sie auch zehntausend?" Wie aus einem Munde riefen die beiden: "Diese Antwort ist richtig!"
Ans Eintreiben der Summe dachte indes niemand. Im Gegenteil, man wies uns mit vornehmen Gebärden an, unsere Reise fortzusetzen. Der erste Polizist rief uns geradezu liebevoll nach: "Gute … wie heißt das gleich wieder?" - "Fahrt!" ergänzte der zweite.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus