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Die WahrheitDraußen bleiben

Die Deutsche Bahn koppelt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Stuttgarter Bahnhof vom Bahnbetrieb ab.

Binnen Minuten rotten sich zigtausende Schwabenmenschen jubelnd zusammen. Soeben hat die Deutsche Bahn AG den Verzicht auf "Stuttgart 21" bekannt gegeben. Mitten am Tag öffnen die Einheimischen saftige Trollinger-Auslesen, die sie sogar trinken, bewerfen sich neckisch mit weichgekochten Spätzle und rollen sich gruppenweise die Stäffeles der Stadt hinab wie Kompanien einer großen pazifistischen Blechbüchsenarmee. Dutzende Bagger schweben an Gasballons davon, Sperrgitter fallen wie Mikado-Stäbchen zusammen, ein besonders milder Alb-Föhner wärmt augenblicklich die Stadt. Winfried Kretschmann reibt sich die Hände, bis sie Funken werfen: "So isch gut", flüstert der Minischterpräsident seinen Aktenordnern zu. Glücksgart am Neckar am Mittag.

Die Ankündigung der Bahn, dass man zum nächsten Fahrplanwechsel am 12. Dezember den Sackgassenbahnhof Stuttgart Hauptbahnhof nicht mehr anfahren werde, geht zunächst unter. "Wir sind es einfach leid", wird Bahn-Mann Volker Kefer zitiert. "Diese undankbare Stadt hat alle Schienenrechte verwirkt. Ohne das Hemmnis Stuttgart sind wir bedeutend schneller von Ulm in Karlsruhe oder Mannheim." Folglich werde auch die Neubaustrecke gestrichen. "Das hilft doch allen", sagt der sonst so eiskalte Technokrat pathetisch: "Der Krieg ist beendet!"

Nur der Güter-Rangierbahnhof nördlich von Stammheim soll, so die Bahn, einen Nothalt für Fernzüge bekommen. Damit das neue Motto erlebbar wird: Draußen bleiben.

Die Nulllösung hatte sich seit Tagen angedeutet. Als Schlichter Heiner Geißler mit seinem naseweisen Kompromisspapier alles verlangte, etwas oben und ein großes Extrabissle unten, war die Stimmung gekippt. Geißler, der Diabolo ex Machina, wollte statt ent- oder weder sowohl als auch. Jetzt kommt weder noch. Kein Alt-, kein Neubau. Alle Beobachter hatten lange schon die Schnauze voll von der ebenso chronischen wie cholerischen Dauerdebatte. Selbst die "Stuttgart 21"-Befürworter freuen sich jetzt mit: "Des ess emmer no bessr als a Gosch voll Reißnägl. Und so werdet wenigschtens a paar Milliardle gspart."

Besonders die Restwelt ist erleichtert, dass "dieses ständige Gestuttgartere" endlich vorbei ist. Nervende Modebegriffe wie "Zulaufstrecke", "Wutbürger" und "Stresstest" können entsorgt werden. Derweil sehen sich alle politischen Parteien als Eltern des Erfolgs. Dass keine Züge mehr fahren, wird als "Premiumqualität der Lebensfreude" gefeiert. Auf Stuttgarter Boden wird es keine Verspätungen mehr geben im Verspätungsaufbaubahnhof, keine albernen Durchsagen ("Für die Unannehmlichkeiten bitten wir leider um Entschuldigung"), keine betriebsbedingten Zugausfälle, keine Verzögerungen im Betriebsablauf, keine Kinder im Gleiskörper.

"Womöglich steht uns sogar das Paradies bevor", sagt Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster noch vorsichtig. Nur einige Romantiker mosern: Ohne den Schtuegarter Bahnhof sei das berühmte Volkslied "Auf de schwäbsche Eisenbahne" verstümmelt: "Gemein, ein schlimmer Kulturfrevel!"

Porsche will als Reaktion auf die überraschende neue Lage einen Shuttle-Dienst vom Stammheimer Bahnhof anbieten. Und der ADAC freut sich: "Schienen zu Rennpisten. Die überlegene Individualtechnologie des Automobils braucht keine Bahnhöfe. Bahnhöfe bedeuten Stillstand."

Nur nörgelige Ökologen befürchten in Stuttgart, heute schon die Stadt mit der höchsten Staugefahr am Nachmittag bundesweit, erwartungsgemäß noch massivere Probleme. Aber sehen auch Chancen: "Stuttgart, die Metropole der Fossilbeweger", könne "auf Dauer zur abschreckenden Vorzeigestadt des NoGo werden", schreibt der BUND. Noch ist die Daimler-Stadt bekanntlich so automan, dass eine Prostituierte im chauvinistischen Dialekt "Mietwaga" heißt.

Schon gestern Abend gab es im Stuttgarter Rathaus erste Anfragen aus anderen Städten: "Wir wollen diese Bahn-Heinis auch loswerden. Helft uns!" Das niederrheinische Kamp-Lintfort (40.000 Einwohner) und Herten im Ruhrgebiet (63.000 Einwohner), die größten deutschen Gemeinden ohne jedes Personenbeförderungsgleis, boten umgehend "solidarische Städtepartnerschaften" an.

"Jetzt haben wir den totalen Frieden", verkündet derweil Heiner Geißler mit einem diabolischen Grinsen, vor dem der Leibhaftige Reißaus nehmen würde. Der Schlosspark bleibt, alle Bäume dürfen weiter wachsen. Umgehend erklären die Ureinwohner das alte Bahnhofsgebäude unterm Mercedes-Stern zum "steinernen Mahnmal für unbeugsamen Bürgerwillen". Das abgerissene Gleisgebiet wird zum selbstbetreuten Wohnkomplex ("Casa Schimpf & Schande") umgebaut.

Deutschland aber freut sich mit: Der weltbekannte Unort Stuttgart kann bald die Bedeutungslosigkeit erringen, die er verdient. Schon in wenigen Jahren wird die Stadt für immer vergessen sein.

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12 Kommentare

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  • A
    Adeline

    ...voll daneben und der Aachener Fussball-Schreiberling

    hat sich auch nicht weiter mit Stuttgart und dem wahnsinn beschäftigt, sonst hätte es so nicht geschrieben.

    Will sich eines beispiellosen Protestes bedienen drauf aufsitzen und witzig sein.

    Weh wie witzig.

  • K
    klaus

    Es gibt keinen Bahnhof in Stammheim , vielen in Stuttgart und Umgebung geht S 21 gewaltig auf die Nerven . Aber wie auch immer wenn es nach der Volksbefragung eine Mehrheit für S21 geben sollte, was wahrscheinlich ist. Werden die Gegner dies auch wieder nicht akzeptieren. Statt dessen werden Sie etliche Gründe finden das Ergebnis in frage zu stellen, es hat geregnet die Abstimmungsurnen waren zu klein usw.Da Sie sich in das ganze so verbissen haben. Die riesige Chance nach über 50 Jahren mal eine Landesregierung zu haben die nicht schwarz ist geht dabei völlig unter.

  • H
    Horst

    Hallo,

    ich finde den Artikel gelungen.

    B. Müllender kennt wohl Stuttgart und seine Bewohner mit ihren Eigenschaften.

    Er ist wohl auch des Scwäbischen mächtig, vor ällem woiß er au, was "Stäffele" send!

    Ich meine, dass er die Gefühlslage und die Ansichten vieler Menschen bei ons em Ländle aufzeigt.

    Ich hoffe und wünsche mir, dass es doch noch zu einer Lösung kommt, mit der wir zufrieden sein können, die den Bürgern, der Umwelt und der Zukunft gerecht wird.

  • J
    JoQ

    Also Leutle,

     

    itzt aber mal halblang. Des isch doch nur a Glosse! Da müsset ihr euch doch et so aufrega! An eure Rektiona sieht mer ammol, dass ihr die Verhältnismäßigkeita völlig aus de Auga verlora habt. Und mit a bissle Humor und Selbschtkritik protestchtiert sich's doch au glei a bissle gmütlicher, oder net? Ihr kriegt älle no Magagschwürle... Augfpassa...

  • E
    Eber

    Tut mir leid:

    Ich kann überhaupt nicht darüber lachen.

    Mir ist der Humor vergangen, seit ich erkannt habe, dass die Grünen bei der Landtagswahl angetreten sind, Stuttgart 21 möglichst geräuschlos durchzusetzen.

    Den Schwarzen Peter schieben die Grünen, die Schwarzen und die Roten beliebig hin und her > jeder erklärt den anderen für schuldig.

     

    Und am Ende wird Stuttgart 21 genau so gebaut, wie es diese Finanz- und Spekulanten-Geier von Anfang an zu Lasten des Steuerzahlers geplant hatten.

     

    In den Hinterzimmern des Landtags stoßen dann die Bonzen sämtlicher Parteien / Fraktionen mit dem teuersten Schampus auf die Dummheit des Wahlvolks an und lachen sich auch noch halb tot - leider nicht ganz ...

  • D
    Dietrich

    Ich weiß, es soll so etwas wie Satire sein - ich finde, dieser Beitrag ist oberpeinlich, und wenn es eine Steigerung von oberpeinlich gibt, dann diese!

    In der Stuttgarter Zeitung ist neulich auch so etwas passiert, Frau Sybille Krause-Burger sprüht vor Ironie, mit spitzer Feder, ach so trefflich formuliert und so dumm, so unbezogen, so unerwachsen, so unsäglich wie hier. Ich schäme mich für die taz.

    Das ist nicht lustig, wahrlich nicht, und wird für unsere Stadt nicht schön, wenn es zu S21 kommen sollte. Das ECE wird viel von der Kaufkraft aus der Innenstadt abziehen, bald haben wir Sportwetten auch auf der Königsstraße, es gibt viele, viele Gründe, warum S21 Murks ist, ein Immobilienprojekt, an dem sich einige Reiche gesundstoßen und wir dürfen die Suppe auslöffeln. Nicht nur wir Stuttgarter, überall in Deutschland fehlt Geld für die notwendigsten Sanierungsmaßnahmen der Bahn.

    Ich kann mich nur anschließen: Dumm gschwätzt sich au ebbes gsagt, gell?

  • C
    Carlos

    HAHAHAHAHA, das wäre schön, soooo schön! Und der VFB Stuttgart geht dann automatisch an die Nachbarsstadt und heisst dann VFB Esslingen21!

     

    Manchmal sind die dümmsten Ideen die besten!!! HAHAHAHHAAHAHAHA Ich habe mich schon lange gefragt wann Satire und Realität sich nicht mehr trennen lassen. Ich glaube langsam ist es soweit, wenn hier schon ernste Kommentare zu diesem Beitrag zu lesen sind.

     

    In diesem Sinne: DRAUSSEN BLEIBEN!

  • P
    parkfreundin

    @Tobias, die Proteste sind unverständlicher geworden? S21 ist Murks, da hat sich nichts dran geändert.

     

    Die Finanzierung ist verfassungswidrig.

    Hier nachzulesen: http://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsrechtler-meyer-finanzierungsvertraege-zu-stuttgart-sind-unwirksam-1.1130053

    Die geologischen Gegebenheiten unter dem Baustellenbereich haben sich auch nicht geändert. Dazu http://www.geologie21.de. Barrierefreiheit ist weiterhin nicht gegeben. Dazu http://www.engpasS21.de . Die Feinstaubwerte in S sind nach wie vor erschütternd.

     

    Nach 86 Montagsdemos, Großdemos und Baustellenblockaden, die seit Wochen jeden morgen stattfinden, finde ich Ihren Kommentar weder lustig noch unterhaltsam. Die Gegner werden kriminalisiert oder von den Mainstream-Medien ins lächerliche gezogen.

  • SE
    so ebbes

    Da ist wohl ein überheblicher "Hauptstadtschreiber" voll in ein Sommerloch gefallen.

     

    Hier spricht der klamme Neid darüber, daß es, weit weg von der Metropole so viele aufgeweckte Bürger gibt.

     

    Kaum bewußt ist dem "Au"tor , daß er sich damit auf der Seite der "Totengräberpartei" wiederfindet.

  • T
    Tobias

    Stimmt, angesichts der zunehmend unverständlich werdenden Proteste ist der Kommentar deutlich zu freundlich geraten.

  • K
    Klartext

    Sie werben um Einnahmen mit "dafür zahl ich".

    Der vorliegende Kommentar, auch wenn satirisch gemeint, ist jedoch so miserabel, dass ich es bin, der für die Lektüre um zahlbare Entschädigung wirbt.

  • GS
    G. Sziedl-Ebner

    Dumm daher gschwätzt, ist auch ebbes gsagt.