Die Wahrheit: Gottkönig im Tiefflug
Der Dalai Lama ist heute auf Staatsbesuch in Hessen
Auf Einladung des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier weilt Tendzin Gyatsho, besser bekannt als "Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama", derzeit in Wiesbaden. Bouffier, redlich bemüht, die Sitzdellen seines Amtsvorgängers Roland Koch auszufüllen, die dieser auf dem Regierungssessel hinterließ, knüpft an dessen langjährige Freundschaft mit dem tibetischen Sektenführer an. Auf Veranlassung Bouffiers und seines Landtagspräsidenten Norbert Kartmann darf der Dalai Lama heute eine Rede vor dem Plenum des Hessischen Landtags halten. Wie bitte? Was hat der Anführer einer okkultistischen Splittersekte, die an Karma und Wiedergeburt glaubt, an Astrologie, Hellseherei, Psychokinese und jedweden sonstigen Esoterikunsinn, einschließlich der Fähigkeit tibetischer Mönche, frei durch die Luft zu fliegen, in einem bundesdeutschen Parlament verloren?
Na ja, mag Bouffier sich gedacht haben, wenn der Papst, dessen Weltbild auch nicht sehr viel aufgeklärter ist, in vier Wochen vor dem Bundestag sprechen darf, dann darf das in Wiesbaden wohl auch der Dalai Lama. Und wenn bei dem einen nicht gefragt wird, was er als Anführer des letzten durch und durch antidemokratischen Regimes in Europa in einem demokratischen Parlament zu suchen hat, dann braucht das auch bei dem anderen nicht gefragt zu werden, der bis zu seiner Vertreibung durch die Chinesen einem feudaltheokratischen Priesterstaat vorstand, in dem bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein Leibeigenschaft und Sklaverei vorherrschten.
Der "Stellvertreter Gottes auf Erden" und der "Gottkönig vom Dache der Welt" predigen mit Fistel- respektive Gackerstimme vor deutschen Parlamenten. Wer von den ehrwürdigen Müttern und Vätern des Grundgesetzes hätte das wohl gedacht, dass eines Tages politische Parvenüs wie Lammers oder Bouffier Artikel 4, der den Staat zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet, so zurechtbiegen, dass sie irgendwelchen Religions- und Sektenführern den roten Teppich in deutsche Parlamente ausrollen. Weshalb nicht auch sonstigen Ajatollahs, Imamen, Erzpatriarchen und was es da noch alles gibt an Kutten-, Soutanen- und Sackgewandträgern?
Die gute Nachricht am diesmaligen Besuch des Dalai Lama ist, dass kein Schwein sich dafür interessiert. Was war das vor sechs Jahren noch für ein Zirkus gewesen, als er anlässlich seines 70. Geburtstages in Wiesbaden mit der Verleihung des "Hessischen Friedenspreises" geehrt wurde. Roland Koch hatte ihn mit allen Ehren eines Staatsgastes empfangen, die Feier in der Wiesbadener Staatskanzlei war beispiellos protzig. Es gab tagelange Jubelarien in sämtlichen Medien. Und diesmal? Nichts.
Die mangelnde Begeisterung der Medien dürfte vor allem darin begründet sein, dass Kanzlerin Merkel vor dem Hintergrund der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise eine "Neue Etappe zwischen der Volksrepublik China und Deutschland" ausgerufen hat. Da hat das Hofieren des Dalai Lama, nur um billigen Anschein menschenrechtlichen Engagements zu erwecken, keinen Platz mehr. In der Staatskanzlei Volker Bouffiers scheint dies allerdings noch nicht angekommen zu sein.
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