Die Wahrheit: Weltmanns Ansichten: Abstrakte Kunst
Wie der Name schon verrät: abstrakte Kunst ist nicht immer gleich abstrakte Kunst. Das erkennt man schon an der Strichführung...
..Ein einfaches Tischtuch eignet sich eben nicht immer als Bettvorleger, um nur ein Beispiel zu nennen. Am Ende steht doch immer der Gedankenstrich -
Die Halbheit ist der Gegengott des Sudoku. Welche Bedeutung hat das für die abstrakte Kunst? Eine toastende Bergziege in einer Handtasche durch ein Lampengeschäft getragen scheint dem Realismus doch allzu sehr verhaftet zu sein. Aber einen Schreibtisch literarisch in den sogenannten Griff zu bekommen, ist schon etwas.
Transpirationsrückstände in Käsewürfeln, kooperatives Gelhaar, elaborierter Pudding für Zweitverwerter - die abstrakte Kunst hat die Phase konzentrierter hypothetischer Spargelsuppe mit einem Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit überwunden.
Die Anschauung des Endlichen ist eine endliche Anschauung. Aber für den Moment ist es in Ordnung. Das gilt auch für Barockmalerei oder das kunstvoll mit Fisch gebügelte Unterzeug.
"Ich esse gern Eis und Marzipan. Wenn das Tiere sind, dann bin ich wohl kein Vegetarier", gesteht Hölderlin in seinem "Pathos des Monats" im September 1805. Er spricht damit ein Grundproblem abstrakter Kunst an, das in dem geflügelten Wort "Wo ich bin, ist Montag!" im Kanon der ästhetischen Reflexion verewigt wurde.
Später sollte Hölderlin seine Gedanken in Pferd und Mond, der Zeitschrift für esoterische Paarhufer, selbst kommentieren mit den Worten: "Es war nicht alles schlecht, was ich geschrieben habe."
"Eine Gardine für alle Delfine", "Textraum-Impfungen für Strümpfe" und "Wer hat die Nase von Nora Tschirner gerichtet?" - dies sind nur drei Beispiele dafür, wie vielfältig abstrakte Kunst heutzutage sein kann.
Das gilt genauso für "Tobsucht ist eine andere Form von Symmetrie", "Ohren sind keine Taschen", "Dortmund hilft auch als Tee, Düsseldorf als Creme" sowie "Würfel werden überschätzt". Man kann vom Leben eben mehr verlangen als ein sorgfältig geschmiertes Butterbrot.
"Woher wissen Sie, dass meine Schuhe nach Bratwurst schmecken", konterte Giacomo Balla diesen Gedanken einst kühn im Gespräch mit sich selbst. Später konzentrierte er sich auf eine fünfbändige Ausgabe zum Reduktionismus und den Vorsatz, ein Pferd zu röten. Er sollte damit Vorbild bleiben für alle, die es sich in Raum und Zeit gern gemütlich machen. "Es ist immer gut, etwas zu tun zu haben, dann ist man jedenfalls beschäftigt."
Das Sein ist das Nicht-Sein des Nicht-Seins. Muss eine Brotdose aber deshalb immer aus Brot bestehen? Und nicht aus Quark oder einer schnellen Entscheidung? "Wahrnehmungserlebnisse können Sätze begründen, deren Evidenz unmittelbar klar ist", heißt es in den Paulusbriefen.
"Ich gehöre meinen Möbeln", erklärte Malewitsch darauf selbstbewusst, ohne dass ihm jemand widersprach und er ein "Duft brauche ich nicht!" hinterherschicken konnte. Das Ganze ist immer weniger als die Summe der einzelnen Teile.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt