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Die WahrheitSommer, Sonne, Sülz

Ein Blick in den Katalog des Rowohlt Verlags.

Es sind traurige Tage. Graue Tage. Gestern, heute, morgen. Aber zu meinem Glück bekomme ich Post. Vom Rowohlt Verlag. Und der sagt mir, was er 2013 für mich vorbereitet hat. Dort nämlich, beim Rowohlt Verlag in Reinbek, einem kleinen Pups neben der großen Stadt Hamburg, hat man unter vielen unaufgefordert eingesandten Manuskripten die besten ausgewählt, um mich mit der Kraft der Sprache und der Gedanken, kurz, mit Literatur zu verführen.

Hier, wo schon Kafka und Hemingway ihre Werke ans deutsche Sonnenlicht brachten, haben die Köpfe gerauscht und gequalmt im Bemühen, die Tradition durch würdige Werke fortzuführen.

Tatsächlich ist es bis zur Seite 45 des Katalogs recht langweilig. „Auf einen Tee in der Wüste“ will man mich schicken, zusammen mit „Schwester Jordana“, einer Nonne auf einem Kamel. „Der Windel-Samurai“ klärt mich über das „verrückte Familienleben“ von irgendwem in Japan auf und „Das Mädchen, das aus dem Dschungel kam“ erzählt überraschenderweise über seine Kindheit unter Affen. Nach „Münsterland ist abgebrannt“, „Geheimnisse der Toten“, dem „Herodes-Killer“ und „Die Toten, die niemand vermisst“ öffnet der Verlag die Pforten zu einem Genre, das in dem Katalog bis dahin gänzlich unberührt blieb, dem der „Unterhaltung“.

Um mir einen Überblick zu geben, was der Rowohlt Verlag darunter versteht, hat man eine Übersicht geschaffen, über die die Augen gleiten wie die Finger durch eine verschüttete Pina Colada auf der Satinbettwäsche. Es beginnt mit dem Titel „Ein ganzes halbes Jahr“: „Eine Liebesgeschichte anders als alle anderen. Die Liebesgeschichte von Lou und Willi“. In der Tat, die kenne ich noch nicht. Ihr folgt die „Flamme von Jamaika“.

Und damit auch die blödeste Leserin weiß, woran sie ist, bildet man statt eines Zaunpfahls das Gesicht einer weißen Frau und ihrer bekleidungsfreien Schulterpartie ab sowie, neben ihrem Gesicht, den Hinterkopf eines Schwarzen. Etwa auf Höhe der Palmenszenerie, die den Rest des Covers ziert und den „exotischen Hintergrund der Sklavenbefreiung auf Jamaika“ illustriert, dürfte er gerade seinen Penis in sie hineinbohren.

Eine gewisse Lucy Diamond bietet „Der Sommer mit meiner Schwester“, dem folgt: „Und doch flüstert leise das Glück“ – was schön zu wissen ist, dass trotz des Sommers mit der Schwester das Glück noch flüstern kann. Und weil man als Buchprogrammmacher nie weiß, ob ein ganzes halbes Jahr nicht genug ist, wurde noch „Ein Sommer und ein Tag“ ins Programm aufgenommen.

Um ein vermisstes „Lieblingskutschpferd“ auf Juist geht es in „Die Möwenhochzeit“, die der besseren Orientierung halber, neben dem „Nordseesommer“ steht. Worauf allerdings die „Katerstimmung“ folgt. Ich nehme an, für die Brautmöwe.

Um zu suggerieren, dass man als anspruchsvoller Verlag doch nicht nur auf Sommer, Sonne, See und Sehnsucht setzt, wurde das Buch „Garantiert wechselhaft“ zwischen die „Katerstimmung“ und „Die Schatten des Sommers“ geschoben. Wobei ich mich schon frage, ob man hier das Risiko bewusst eingeht, seine Leserin in die Depression zu schicken. Zumal das süße Versprechen des Romans „Kirschsommer“ ausgerechnet von einem Mann vermiest wird, der sein Buch „Schlecht aufgelegt“ genannt hat.

Wer bei so viel Stimmungswechsel noch alle Tassen im Schrank hat, wird nun gefragt „Darf’s ein bisschen Sommer sein?“. Und wer das in die eine oder andere Richtung beantworten konnte, wird in „Omas Erdbeerparadies“ entführt. Und was die Erdbeere ahnt, erfährt der Rowohl-Leser, wenn er auf „Die Wahrheit des Wassers“ stößt. An die sich ein Buch reiht, das mit dem „Lektoratstipp“ versehen wurde, weil es „So lustig und romantisch wie Keinohrhasen’“ sei und „Krokofantküsse“ heißt.

Um den Höhepunkt einzuleiten, den die Verlagsprogrammmacher für den Schluss des Unterhaltungsangebots aufbewahrt haben, wird ein letztes Mal der Sommer ausgerufen. Dieses Mal ist es „Der Sommer der Frauen“. Und weil wir Frauen nun so schön beieinander sind, wird jetzt das verlegerische Feuerwerk der sexualitätsenergetischen Entladungsgranaten abgeschossen: 736 Seiten beste Unterhaltung verheißen die Titel „Playing with Fire“, „Fucking Munich“ und – Obacht! – „Grenzenlose Lust“.

Danke Rowohlt! Es ist draußen schon gar nicht mehr so grau.

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2 Kommentare

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  • S
    SunJohann

    Wie immer, großartig: Silke Burmester. Ich habe bereits alle erwähnten Taschenbücher über amazon vorbestellt. Nur diese eine Stelle, wo von einem Schwarzen die Rede ist, da habe ich große Bedenken, Bauch- und Magenschmerzen, auch wenn nur der Hinterkopf auf Augenhöhe gemeint ist und das, was linksliberale Frauen mit geöffnetem Jungmädchenhaupthaar sonst noch so damit kingkonghaft verbinden mögen. Schwarzer - das ist vielleicht heute noch ein angemessener Ausdruck für einen Mann aus Jamaika. Aber was, wenn das Taschenbuch gedruckt und ausgeliefert ist? Was, wenn die Welt sich weiter gedreht hat, wenn das Buch in den Buchhandlungen dann so rumsteht und während eines Kontrollbesuchs von einer Genderbeauftragten der deutschen Sozialindustrie durchgeblättert wird, dann kann sie nur noch laut und schrill aufschreien: „Es heißt jetzt wieder Neger, sie selbst wollen es so, die Neger! Ihr IdiotInnen?!“ Stille. Das wird die Stille nach dem Genderschuß sein. Zeit, um einmal über alles antirassistisch nachzudenken, vor Ort und nachhaltig. Nichts wird helfen, da kann jedes Märchenbuch persönlich von Adorno-Preisträgerin Judith Butler umgeschrieben worden sein, wenn es heißt Neger ist jetzt endkrass, dann ist das eben so. Was sagt eigentlich die Weißseins-Forschung dazu?

  • A
    anke

    Bücher verlegen ist halt ein Prozess.

     

    Das 1950 aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten importierte Taschenbuch ist wohl auch nicht mehr, was es seinerzeit war: Garant eines unbegrenzten Wachstums. Heute sollen offenbar die Bücher selbst rotieren, nicht bloß die Maschinen. Umsatz, Umsatz, Umsatz. Masse statt Klasse. Kleinvieh macht unter gewissen Umständen halt mehr Mist. Vor allem dann, wenn es nicht nach Weizen verlangt, obwohl man gerne Spreu füttern möchte.

     

    Muss eine Seuche sein! Hatten sie so was ähnliches nicht gerade erst bei Suhrkamp? Ich erinnere mich dunkel, dass dem staunenden Möchtegern-Leser aus dem fernen Berlin ganz ähnliche Kunde ward. Die Spitzenfunktionäre der schreibenden Zunft hatten dort, glaube ich, versucht, ein vermeintlich kleineres Übel gegen ein angeblich größeres in Schutz zu nehmen. Vergeblich. Jene Verleger-Witwe, die Erbe und Namen ihres verstorbenen Gatten erst nach dessen Tod so richtig zu würdigen wusste, musste ihre gerade erst mühsam herbei intrigierte Macht letztlich doch wieder abgeben. An einen Mann, der, wie man hört, Kontaktlinsen mit Dollarzeichen trägt.

     

    Da geht sie hin, die Kultur. Zu Tante Burda auf einen Klatsch. Weil es da angeblich so gemütlich ist – und alle anderen längst da sind. Dass es draußen gleich viel weniger grau ist, wenn man so etwas erzählt bekommt, finde ich auch. Ich jedenfalls sehe eher nachtrabenschwarz. Polarwinter. Aber nein, früher war auch nicht alles besser. Eine Kultur taugt schließlich einen Dreck, so lange sie nicht die Massen ergreift. Oder so ähnlich. Die Massen, meine ich, mit denen man sich täglich herumschlagen muss.

     

    Wie auch immer. Da geht sie hin, die Kultur. Sie ruhe in Frieden. Lasset uns trauern.