Die Wahrheit: Nobelpreis für Kochbücher
Der Deutsche ist ein Trüffelschwein. Dazu muss man nur die Liste der Fernsehköche anschauen, die einem den Wutschaum ins Gesicht treibt.
K ürzlich war ich zu Hause bei Muttern. Zum Essen. „Wieso wolltest du denn Steckrübeneintopf haben?“, fragt sie, immer noch ehrlich erstaunt. „Weil das schmeckt! Und weil es das sonst nirgends gibt.“
Für Ilses Steckrübeneintopf lasse ich jede französische Fischsuppe oder irgendeinen postmodern pürierten Kürbis stehen. Wir sind ja sonst ein elendes Volk von Feinschmeckern geworden. Der Deutsche ist ein Trüffelschwein. Dazu muss man nur die lange Liste der Fernsehköche anschauen, diese Armada von Anschwitzern und Schwenkern, die einem regelmäßig den Wutschaum locker geschlagen ins Gesicht treibt.
Ich bin gerade dabei, die Regale auszumisten, und stoße dabei auch auf jede Menge Kochbücher, die ich in meinem Leben nicht einmal aufgeschlagen habe. Einzig Jamie Olivers „Genial italienisch“ fleddert vielbenutzt und von Tomatensoße bespritzt vor sich hin mit so großartigen Mengenangaben wie „zwei Hand voll davon“. Da wird die Portion schon von selber ergonomisch am jeweiligen Koch ausgerichtet. Ich habe zu Hause in Ostwestfalen ja noch gelernt, dass man „den Teller aufisst“. Und darum fordere ich für Menschen wie mich, unter ein Meter siebzig, Pizzen mit weniger Durchmesser, eine kürzere Currywurst und weniger Bier im Glas als bei anderen.
Inzwischen ist die Hälfte jeder Buchhandlung gefüllt mit Kochbüchern, dann noch ein Drittel mit Glücksanleitungen von Eckart von Hirschhausen, ein Siebtel bestückt Precht, den Rest teilt sich der Rest. Köche sind die wahren Literaten. Bestsellerautoren sind sie sowieso. Man sollte dem Nobelpreiskomitee vorschlagen, eine neue Kategorie einzuführen.
Das Kochbuch-Fach führt auch echte Meisterwerke – wie zum Beispiel „Naddel kocht verführerisch gut“. Erschienen vor einigen Jahren im Südwest Verlag. Kurz aufgeschlagen, Zitat von Seite 49: „Einmal habe ich beim Mixen vergessen, den Deckel festzuschrauben. Da ist mir das ganze Gemüse um die Ohren geflogen. Seitdem halte ich beim Mixen den verschlossenen Deckel noch zusätzlich fest.“ Jetzt wissen wir wenigstens, warum die Frau nicht fähig ist, ihren Rand zu halten.
Zu meinem letzten Geburtstag habe ich ein Buch bekommen: „Die Schnitte“! Untertitel: „Eine Hommage an das Butterbrot“. Mit 55 leckeren Rezepten. Rezepte? Fürs Butterbrot? Geht’s noch? Ich habe anscheinend Freunde, die für so was Geld ausgeben. Die mir das schenken. Welches Bild gebe ich bloß nach außen ab, dass ich anscheinend Rezepte für ein Butterbrot brauche? Seitdem ist mir klar, warum ich noch nicht verheiratet bin!
Aber nun habe ich einen wahren Schatz gefunden – erschienen schon 1992. „Are You Hungry Tonight? – Elvis’ Favourite Recipes“. Auf dem Titel ein Foto von Elvis vor Braten links und Chicken Wings zu seiner Rechten, vor ihm auf dem Teller ein vortreffliches Hotdog mit Zwiebeln. Im Inhaltsverzeichnis als viertes Kapitel: „Vegetables“, mit dem Zusatz „Yes – the King ate vegetables“. Mein Bruder war früher Teddyboy. Er hat demnächst Geburtstag. Er wird mich für den Schinken lieben.
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