Die Wahrheit: Mit dem Mofa nach Hannova
Sag mir, wo die Mofas sind. Wo sind sie geblieben? Wohin man auch blickt: Nur Autos, Fahrräder, Motorräder und ein paar einsame Motorroller.
K ürzlich schaute ich mich verwirrt auf der Straße um und dachte: „Nanu, wo sind eigentlich die ganzen Mofas hin?“ Wohin ich auch blickte: Nur Autos, Fahrräder, Motorräder und ein paar einsame Motorroller.
Früher war das anders. Als ich pubertierte , also so um 1980 herum, war die Luft erfüllt vom Geknatter unzähliger kleiner Zündapps, Hondas, Herculessen und Puchs. Gefühlt besaß jeder zweite 15-Jährige ein Mofa. Mein neureicher Klassenkamerad Jochen P. hatte sogar eine „Motobecane Enduro M 25“, die zwar scharf aussah – eben wie eine richtige Motocross-Maschine –, aber hochgradig albern war, weil sie ja trotzdem nur im Dauerlauftempo vor sich hin tuckerte.
Jochen sah darauf aus wie ein Rennfahrer in Zeitlupe. Rüstige Rentner auf Fahrrädern zogen fröhlich lachend und nasedrehend an ihm vorbei. Zu allem Unglück trug Jochen auch noch einen richtigen Integralhelm, Motorradstiefel und eine schwarzrote Motorradlederjacke mit Nierenschutz. Und das alles bei 25 km/h! Aus Angst vor seinem herrischen Vater hatte er noch nicht einmal versucht, das Mofa zu frisieren, wie es jeder andere durch Luftfilter- oder Zylinderkopf-Manipulationen tat, damit das Gefährt wenigstens 35 oder 40 km/h fuhr.
Wenn man nicht Mofa fuhr, „trampte“ man. Auch das ist eine fast ausgestorbene Fortbewegungsart. Damals gab es an den Autobahnraststätten- und Auffahrten richtige Staus von Mitreisewilligen mit handgemalten Wunschdestinationsschildern. Jetzt sieht man, wenn überhaupt, mal einen einzelnen jungen Menschen vor sich hin dösen, der einem das Gefühl vermittelt, er wolle da auch gar nicht weg, sondern stehe aus dekorativen Gründen in der Landschaft.
Allgemein anerkannte Reisetechnik
Wir trampten, obwohl wir immer wieder erzählt bekamen, wie gefährlich es sei – von den eigenen Eltern, von Lehrern und von Eduard Zimmermann in „Aktenzeichen XY ungelöst“. Trotzdem war es eine allgemein anerkannte Reisetechnik. Offensichtlich wusste man damals mit der Gefahr zu leben.
Heute ist das anders. Eltern, die ihre Kinder während der Grundschulzeit jeden Tag mit dem Auto am Schultor abliefern, erlauben ihren Teenagern vermutlich später auch nicht, sich zu wildfremden Menschen ins Auto zu setzen oder auf kleinen windigen Motorfahrzeugen durch die Gegend zu pesen.
Als begabter Schisshase kann ich das einerseits verstehen, andererseits muss man sachlich feststellen, dass schon immer mehr Kinder und Jugendliche von Pfarrern, Lehrern, Trainern und Eltern missbraucht wurden als von hilfsbereiten Autofahrern. Und auch die Zahl der Unfälle mit den langsam durch die Städte schleichenden Mofas wird sich im Vergleich zur Zahl der Toten und Verletzen bei Autounfällen auf Autobahnen und Landstraßen sehr in Grenzen gehalten haben.
Aber Angst ist eben nichts rationales. Trotzdem möchte ich mal wieder ein Mofa knattern hören oder jemanden an der Tankstelle an der Handpumpen-Zapfsäule ein 1:50 Öl/Benzingemisch für seine „Hercules M 5“ abpumpen sehen. Nur so, aus nostalgischen Gründen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kürzungen im Kulturetat von Berlin
Gehen Kassiererinnen in die Oper?
Argentinien ein Jahr unter Javier Milei
Arm sein im Anarcho-Kapitalismus
FDP und D-Day
Staatstragende Partei, die von Kettensägenmassakern träumt
„Kanzlerkandidatin“ der AfD
Propagandashow für Weidel
Ende des Assad-Regimes in Syrien
Syrien ist frei
Offensive in Syrien
Ist ein freies Syrien möglich?