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Die WahrheitDie Lutschwette

Kolumne
von Jenni Zylka

Meine Lieblings-Clips bei Youtube? Power-Rangers-Actionfiguren-Reviews von erwachsenen Männern – neben Schminktutorials natürlich.

N eben Schmink-Tutorials, in denen 18-Jährige mit blühender Haut Anti-Falten-Make-up vorführen und begeistert erzählen, wie gut es bei ihnen wirkt, sind meine Lieblings-Clips bei Youtube Power-Rangers-Actionfiguren-Reviews von erwachsenen Männern. Bei einem, dessen behaarte Finger gerade den Laser beim „Super Samurai“ befingern, während die sonore Stimme erklärt, dass man „den 30 Zentimeter hohen Megazord auch in einen Bullen Zord morphen kann“, kommt sogar kurz die Mutter rein und fragt nach der Stimmung fürs Abendbrot.

Nichts für ungut, man weiß ja nicht, was vorher war, vielleicht war er auch nur zu Besuch bei seinen Eltern und hatte zudem noch eine Wette verloren. Ich habe neulich nämlich ebenfalls eine verloren, und werde darum demnächst ein Quality-Street-Bonbons-Review einstellen müssen. Damit bin ich noch glimpflich davongekommen, um ein Haar hätte ich ein Schmink-Tutorial für Schlupflider machen müssen, und das hätte bedeutet, dass man erstens am Anfang ungeschminkt zu sehen ist, und zweitens die Schlupflider ganz nah an die Kamera bringen muss, um zu zeigen, wie schlupfig sie wirklich sind. Dann schon lieber das Plombenzieher-Review.

Außerdem hat das geradezu investigativen Nachrichtenwert: Seit vor ein paar Jahren jeder normale Sterbliche das Quality-Street-Bonbonlutschen aufgab, allein wegen der von der ehemaligen Hamburger Megastargruppe Superpunk einst in ihrem bahnbrechenden Hit „Neue Zähne für meinen Bruder und mich“ besungenen maroden Mundsituation, gibt es neue Bonbonsorten. Die wir Alten jedoch, ähnlich wie die digitale Welt, nicht mehr verstehen.

Das steinharte, nach Banane und Karamell schmeckende Runde zum Beispiel, mit dem man Panzerglas schneiden kann, ist nicht mehr dabei. Stattdessen wird verstärkt auf Noisette, Erdbeer-Créme und Kokosnuss-Éclair gesetzt. Da kommt’s mir hoch. Ich hoffe, dass ich das „Abonniert und kommentiert“ am Ende des Reviews überhaupt noch hinkriege. Wenn nicht, mache ich einen eigenen Kanal auf und stelle gleich ein Zahnputztutorial ein.

Die verlorene Wette bezog sich übrigens auf eine Internetseite, auf der man die eigene Körpergröße mit der eines Stars vergleichen kann, und zwar mit zwei Schattenrissen, der eine symbolisiert zum Beispiel Ryan Gosling oder Shakira oder Shaquile O’Neill, der andere steht für „you“, und man muss unten nur Geschlecht und Größe eingeben, und schon sieht man, ob man sich auf die Zehenspitzen stellen muss, wenn man Mel Gibson eine Backpfeife hauen will, oder nicht.

Ich hatte gewettet, dass Peter Dinklage nicht im Star-Sortiment vorhanden ist, ist er aber. Zu gern würde ich wissen, ob die Seite von Stars selbst genutzt wird, bei Partys auf einer Yacht an der Riviera etwa, da hat Rihanna neulich mit ihren Freundinnen gefeiert und laut Käseblatt in den ersten 36 Stunden drei Flaschen Tequila, eine Kiste Dom Perignon und eine Flasche Bourbon geleert. Hoffentlich kam es denen nicht auch hoch.

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