Die Wahrheit: Auf Mampe-Trip mit Arno Schmidt
Rund um den einhundertsten Geburtstag des Bargfelder Großdichters gab es immer wieder ein Getränk, das an Cola-Lollis und Orangen erinnerte.
I rgendwie musste durchgesickert sein, dass der Lese- und Würdigungsabend „Arno Schmidt zum Hundertsten“ am 17. Januar dieses Jahres in der Niedersächsischen Landesvertretung in Berlin etwas Besonderes sein würde. Wir hatten früh davon gewusst, weil uns der Veranstalter bereits im vergangenen Jahr glühenden Auges seine Pläne entrollt hatte: „Susanne Fischer übernimmt die Einführung, Jan Philipp Reemtsma liest aus Schmidts Roman ’Das steinerne Herz‘“, schwärmte er damals schon, während er einen „Mampe on the rocks“ zwischen seinen Händen hin und her schob. Der Schriftsteller Georg Klein habe ebenfalls zugesagt. „Der schreibt dafür einen exklusiven Text!“ Für den Ausklang habe er sich auch schon etwas einfallen lassen. Es werde etwas zu essen und vor allem etwas zu trinken geben. „Das wird der Hammer, ihr müsst kommen!“
Auch wenn wir herzlich ahnungslos waren, was das Werk Arno Schmidts betraf, und Nachlesepflichten auf uns zukamen, freuten wir uns sehr über die Einladung.
Bei geradezu frühlingshaften Temperaturen besuchten wir den Veranstalter kurz nach Jahreswechsel an seinem Arbeitsplatz. Er hatte uns ermuntert, vorher schon mal vorbeizugucken („Generalprobe!“), und empfing uns im Garten, wo er in einem der Strandkörbe saß und entspannt das Farbenspiel eines „Mampe Sunrise“ auf sich wirken ließ. Inzwischen hatten wir gelernt, dass „Mampe halb und halb“, ein Berliner Likörgebräu und einstiges Choleraheilmittel, in Schmidts historischem Gegenwartsroman „Das steinerne Herz“ auf den Tisch kommt.
„Habe ich schon erzählt, dass Robert Gallinowski aus den ’Haidnischen Alterthümern‘ vorträgt?“, fragte der Veranstalter. „Besser geht es wirklich nicht.“ Wir sollten hineingehen und „eine Mamperita oder einen Mampehopper trinken“, schlug er vor, er wollte uns noch etwas zeigen.
Neugierig folgten wir ihm und staunten über Kellner, die soeben vor der verglasten Front des Gebäudes die letzten Elemente einer beeindruckenden Likörgläschenpyramide akkurat an ihren Platz stellten. „Stört sie nicht“, raunte der Veranstalter – er nippte jetzt an einer „Bloody Mampe“ –, „das ist Maßarbeit.“ Auf ein knappes „Fertig, Chef!“ schnappte er sich zwei Flaschen und begann konzentriert, dunkle Flüssigkeit in das oberste Glas zu gießen. Langsam verteilte sie sich nach unten, ein Geruch nach Cola-Lolli und Orange füllte den Raum. „Kaskade“, seufzte der Veranstalter. Draußen hielt eine rasch anwachsende Menge ihre Telefone in die Höhe und fotografierte, was das Zeug hielt.
Am 17. Januar erhielten wir frühmorgens einen Anruf. Wir sollten bloß rechtzeitig da sein, die Anmeldungen hätten alle Rekorde geschlagen und die Feuerwehr beunruhigt. Wir kamen überpünktlich und erwischten letzte Plätze. Als alles vorbei war, blieben wir sitzen; wir wollten dem Veranstalter für das hervorragende Programm danken. Doch auch sonst bewegte sich niemand zur Garderobe oder ging. Irgendwie musste durchgesickert sein, dass es noch etwas zu trinken geben sollte.
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