Die Wahrheit: Kampf mit einem Türsteherkind
Scooterman: Unterwegs mit dem Elektrowagen trifft man an mancher Eingangspforte auf lustige kleine Teufel und ihre hirnleeren Erzeuger.
D er vielleicht fünfjährige Junge stand hinter einer Eingangstür der „Wilmersdorfer Arcaden“. Immer wieder drückte er lachend auf einen Schalter, der den Eingang automatisch öffnen sollte. Wenn jemand wie ich auf seinem Scooter davor wartete zum Beispiel. Draußen befand sich zwar ebenfalls ein Schalter, aber der reagierte gerade nicht, da die Tür von innen das Kommando zum Öffnen in so schneller Folge bekam, dass sie lieber geschlossen blieb. Oder sich nur eine Handspanne weit öffnete und dann vor Schreck einrastete.
Immerhin war es so möglich, das enthemmte Gelächter des Kleinen zu hören, der an der Hand seiner Mutter hing. Die ungefähr 25-jährige Frau betrachtete mit halb leerem Blick das Geschehen in der halb vollen Mall. Ob sie auf jemanden wartete oder von einem Arzt verschrieben bekommen hatte, mit dumpfem Blick den Tag an sich vorbeiziehen zu lassen, war nicht zu ermitteln.
Auf jeden Fall konnte es so nicht weitergehen. Denn ich musste dringend einkaufen. Während einer Arbeitspause an diesem Vormittag war mir aufgefallen, dass weder Spaghetti noch Grapefruit im Haus waren. Kreuzkümmel schon gar nicht. Was, wenn ich plötzlich Lust auf Spaghetti in Grapefruit-Kreuzkümmel-Sauce bekommen sollte? So etwas geschieht häufiger, als gemeinhin angenommen. Meine Auftraggeber müssten dann ausbaden, dass der zusammensackende Kreuzkümmelspiegel in meinem Körper mich arbeitsunfähig machte.
Um dieser drohenden Katastrophe vorzubeugen, suchte ich durch die nervös zuckende Tür den Blick des Jungen. Streckte die Zunge raus, wackelte mit den Ohren und schielte. Nach wenigen Augenblicken begann der Junge mit beiden Händen energisch am Arm seiner Mutter zu ziehen. Ich gab dem Schalter auf meiner Seite der Tür einen lässigen Stoß mit der Linken. Als die sich öffnete, sagte ich dem Kind: „Wenn du mich eben durchlässt, kriegst du ein Eis. Oder du darfst dich auf meinen Scooter setzen. Der heißt übrigens Harry.“
„Harry!“, frohlockte der Kleine. Seine Mutter unterbrach ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ihre Therapiemaßnahme und schaute mich an.
„Haben sie keine Sorge. Ich halte ihn fest.“ Fehler. Als ich Strom gab, riss der Junge sich los. Drosch mehrfach auf den Schalter und rannte frontal auf mich zu. Die Tür war überfordert und fiel zu. Mir blieb die Wahl, mit drei Zentnern Scooter und 80 Kilo Ladung frontal den Jungen zu rammen oder den Lenker rumzureißen. Also knallte ich rechts gegen die Türeinfassung, bevor links die Tür schwungvoll auf die Verschalung von Harry knallte.
„Grad noch mal gutgegangen!“, dachte ich, als die Tür einrastete. „Soll ich ihnen das Stück geben, das gerade abgebrochen ist?“ Eine Dame gab mir ein Stück Plastik, das oberhalb des linken Scheinwerfers aus dem Scooter gebrochen war.
Mutter und Kind hatten sich aus dem Staub gemacht, bevor sie zu einem Versicherungsfall werden konnten. Die Reparatur kostete 342 Euro. Das Gefühl, ein Kind verschont zu haben, ist unbezahlbar. Versuche ich mir seither krampfhaft einzureden.
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