Die Wahrheit: Kiffer fliegt, Nigella kommt
Neues aus Neuseeland: Der Umgang mit Marihuana ist entspannt. Allerdings gilt diese Toleranz nicht unbedingt für unbotmäßige Austauschschüler.
I ch lebe im Land der langen, weißen Rauchwolke. Das ist keine Übertreibung: Die Hälfte aller erwachsenen Neuseeländer hat schon mal einen Joint gepafft, sogar statistisch ist das belegt. Für das Rollen einer stinknormalen Zigarette wird man hier eher geächtet als für das Stopfen seines Pfeifchens. Ja, das sind fast jamaikanische Zustände Down Under – vor allem an der wilden Westküste, wo die Hanfplantage so systemimmanent ist wie der Schrebergarten im Ruhrpott. Nur nicht ganz so legal.
Letzten Samstag, am „J Day“, rauchten daher Tausende von Kiwis in öffentlichen Parks Cannabis, verkauften Gras in Tütchen und demonstrierten für die Legalisierung von Marihuana. Es ist Wahlkampf, und das „Smoke-in“ war der Kampagnenauftakt der Aotearoa Legalise Cannabis Party. Falls die nicht noch zu bedröhnt ist, kann sie sich gleich ihres ersten Falles annehmen, der womöglich gar die bilateralen Beziehungen zwischen Neuseeland und Deutschland belastet: Ein deutscher Austauschschüler versuchte sich in seiner Freizeit unter größter Anstrengung den nationalen Rauchgepflogenheiten anzupassen und soll dafür nun aus dem Lande fliegen.
Von der Schule flog der arme Kerl bereits. Der 17-Jährige, der lieber anonym bleiben möchte, war bis vor Kurzem Schüler am Tauranga Boys College. Am 7. März schnappte er sich sein Motorrad und kaufte für 80 Dollar Dope, das er sich mit vier anderen deutschen Jugendlichen in einem Park teilte. Angeblich nahm er nur einen einzigen Zug und spürte nichts davon, als er nach Hause fuhr: „Ich konnte nicht richtig inhalieren und musste husten, weil es wehtat. Es war nichts für mich.“
Doch der Schulleiter bekam Wind von den Möchtegern-Kiffern und knöpfte sie sich vor. Dem 17-Jährigen wurde gesagt, ihm drohten keinerlei Konsequenzen, solange er die Wahrheit sage. Kaum hatte er gebeichtet, galt die Zusage nicht mehr. 24 Stunden später schmiss ihn die Schule raus. Falls er keine neue Schule findet, droht dem Delinquenten die Abschiebung aus dem Land.
Seine eigene Familie argumentiert, dass der Junge bereits in seiner Gastfamilie in Taurange mit Marihuana in Kontakt gekommen sei. Und seine Unterstützer sind empört, dass an ihm ein Exempel statuiert und mit zweierlei Maß gemessen würde: Kein Kiwi-Kid fliege wegen eines Joints von der Schule, falls er außerhalb der Schule geraucht würde und niemand Schuluniform trüge. Derlei Verhalten zu ahnden sei Sache der Polizei.
Am Wochenende reiste übrigens Fernsehköchin Nigella Lawson unbehelligt in Neuseeland ein. In die USA lässt man die Britin dagegen nicht mehr, seit sie gestand, die ein oder andere Nase Koks und ein paar Lungenzüge Gras genommen zu haben. Wer woanders nicht einreisen darf, bekommt auch kein Visum für Neuseeland. In ihrem Fall machten die Behörden jedoch eine Ausnahme – Nigella muss in Aotearoa einenWerbespot für eine Schokoladenfirma drehen. Solange sie keine Haschkekse backt, ist alles im grünen Bereich. Neue Hoffnung für den Abschiebe-Schüler?
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