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Die WahrheitRestschopf über Schädelpunkt

Kolumne
von Pia Frankenberg

Die Hair-&-Tattoo-WM wird ohne Deutschland zwischen Ghana, Chile, Holland, Brasilien, Portugal und den USA entschieden.

W enn einem Fußballkommentare von der Art „Iraner sind Südländer“ ins Ohr gegossen werden, schadet das auf Dauer der Gesundheit. Bevor einem solches Moderatorengebrabbel noch den schönsten Kampf um den Ball vermiest, schaltet man kurzerhand auf den 11-Freunde-Liveticker und ansonsten sein Gehör bei allem, was entfernt nach Fußball klingt, auf Standby.

In einer Halbzeitpause vom gestikulierenden Pep Guardiola überrascht, dreht man den Ton wieder auf und landet in einer Audi-Werbung. Pep beschwört ein Häufchen Ingenieurdarsteller mithilfe eines werbefachmännisch geschmiedeten Textes, der auf spaneutsch etwa so klingt: „Vergessteurfolgedennnigsitssoaltwieders-tatus …“ Das unermüdlich nach Sinn suchende Gehirn macht daraus: „Vergess teuer. Folge Dennig. Sitzen als Widerstand!“

Einen falschen Imperativ im Werbeskript kann man ja noch durchgehen lassen, und Audi ist auch nix für die kleine Brieftasche, aber dass die so deutlich werden? Ist das ein Versuch zur „neuen Ehrlichkeit“? Nach dem Motto: „Die Kiste ist teuer, man kann aber echt gut drin sitzen.“ Vielleicht sollten weniger überzeugende Hersteller ihre Produkte entsprechend mit „Kauft den Mist! Geht sofort kaputt, aber wir haben’s euch vorher gesagt“ empfehlen? Aber jetzt zu drängenderen Fragen: Wer ist Dennig? Wohin soll man ihm folgen? Und Sitzwiderstand? Gegen wen? Die Fifa? Will Pep eine Sitzblockade? Genug der kräftezehrenden Laufdemos, Protest nur noch aus Ledersitzen! Oder handelt es sich etwa um eine Anspielung auf Hoeneß? „Vergess Steuer, folge denen nicht!“ Mensch, Pep, mach kein’ Scheiß, sonst sitzt du bald im Knast bei den Tätowierten.

Deren Weltkongress läuft ja gerade bei der WM, wo auf dem Spielfeld Totenköpfe (Meireles) und Teletubbies (de Rossi) auf der Haut getragen werden, passend dazu die neuen Trendfrisuren. Ganz weit vorne liegt die moderne „Conehead“ Version. Dabei breitet sich ein kegelförmig zugespitzter oder abgeflacht stumpfer Restschopf über den höchsten Schädelpunkt.

Auf dem Platz sieht’s aus, als wären 100 Jahre Knast versammelt, und dann kommen die Deutschen. Müller versucht, mit einer Platzwunde zu punkten, aber Götzes clearasilfrischer Tim-und-Struppi-Look macht alles zunichte. Gegen die Guerilleros Vidal und Medel sehen unsere Kämpfer aus wie eine Schülertruppe.

Die Hair-&-Tattoo-WM wird eindeutig ohne Deutschland zwischen Ghana, Chile, Holland, Brasilien, Portugal und den USA entschieden; natürlich sind Australien, Kroatien, England und Italien auch noch dabei. Die Endspielprognose lautet Holland gegen Chile, wobei den Holländern ein Spieler abgezogen wird, denn De Jongs Bemalungen zählen für zwei. Im Kampf um den Pokal beherzigen alle Peps Werbe-Kabinenpredigt: „Lasstoichwonwisionenantrai-ben, Ruckeschläg macheoichenur stäcke, denk waite immewaite, ssowaidass oichkeineain-cholenkan!

„Tudo passa“, alles geht vorüber, liest es sich philosophisch auf Neymars Hals. Na, dann spielt mal noch schön!

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