Die Vorschau: Gitarre? Sampler? Ist alles wumpe!
■ Drei Projekte im Freizi Friesenstraße lassen am Donnerstag musikalische Grenzen verschwimmen
Das kleine Freizeitheim an der Friesenstraße mag unter MusikliebhaberInnen für so einiges zwischen rudimentär böllerndem Hardcore, biergetränkt rüpelndem Punkrock und lichtgeschwindem Todesmetall bekannt sein; als Austragungsort für Veranstaltungen mit elektronischer Musik hat es bislang ganz sicher nicht reüssiert.
Die neue Konzertgruppe vor Ort, die uns im vergangenen Monat bereits die Flying Luttenbachers und Ilse Lau präsentierte, hält die Ohren in (fast) alle Richtungen geöffnet und hat für den Donnerstag den unter dem Namen ElectroniCAT bekannten Franzosen Fred Bigot einen Amerikaner, der unter dem Namen Hrvatski musiziert, sowie Diazo, ein Bremer Duo eingeladen. Diazo fungieren gewissermaßen als Bindeglied zwischen der wundersamen Welt der Elektronik und dem weiten Kosmos „normaler“ Instrumente. Ansgar Wilken, auch Gitarrist bei Ilse Lau, und Markus Wenninger, dort selbst Saxophonist, tragen zusammen, was sie bedienen können und verbinden die warmen Sounds verschiedener Holzblasinstrumente einschließlich eines Didgeridoo mit einem breiten Spektrum synthetischer Sounds zwischen Minimalismus und Techno.
ElectroniCAT und Hrvatski sind dann zwar „richtige“ Elektroniker, aber dass das mit gutdraufem House-Stompen oder sonstwie am Tanzboden orientierten Sounds deswegen gleich noch lange nichts zu tun hat, bringen die Kinder heute schon in der Grundschule ihren LehrerInnen bei. ElectroniCAT weiß zwar das Mittel der Wiederholung durchaus für sich fruchtbar zu machen, erhebt dabei allerdings nicht die durchgehend treibende Basstrommel zur ultima ratio, sondern komisches Schaben, Brummen und Knarzen. Wobei dann zwischendurch, wie aus Versehen, doch ein Groove entsteht, hypnotisch und in den Ohren juckend. Die Art, wie er dann noch gelangweilte Stimmen über seine reduzierten Stücke legt, wie er Melodiefragmente in die Endlosschleife schickt, lassen auf einen gewissen Humor schließen.
Einen solchen hat zwar Hrvatski auch, aber er klingt völlig anders. Ornamentierung statt Reduktion, Verschachtelung statt Repetition, Verstörung statt Hypnose. Der Amerikaner, der sich hinter dem merkwürdigen, auf unbestimmt Kroatisches verweisenden Namen verbirgt, macht sich die Errungenschaften von Breakbeat zu eigen, um sie mit Klängen und Formen aufzufüllen und zu umkränzen, die er in der weiten Welt der Musik so aufgeschnappt hat. Das Ergebnis lässt sich dann auch gar nicht erst auf irgendwelche blöden Diskussionen über die muskalischen Produktionsmittel ein. Digital, analog, Gitarre oder Sampler, das ist so dermaßen wumpe, dass es spätestens jetzt klar sein müsste. Intensität, Komplexität, Lärm und was Leute, die sich für Musik interessieren eben sonst noch so suchen, können mit den verschiedensten Verfahren erzielt werden. Der morgige Abend liefert den mehrfachen Nachweis.
Andreas Schnell
ElectroniCAT, Hrvatski und Diazo spielen am Donnerstag ab 20 Uhr im Freizeitheim Friesenstraße
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen