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■ Die Vereinigten Staaten von Amerika lassen wieder hinrichtenGleiches Unrecht für alle

Die Gouverneurin von Arizona hat Standfestigkeit bewiesen. Wenn sie nicht in den gestrigen späten Abendstunden noch einen 180-Grad-Sinneswandel durchlaufen hat, wird der deutschstämmige Karl LaGrand heute abend in der Gaskammer von Florence, Arizona, ersticken. Sein Bruder Walter folgt ihm nächste Woche. Recht so. Warum schließlich sollten die Henker im US-Staatsdienst immer nur Schwarze umbringen, die sich keine vernünftigen Anwälte leisten können? Gleiches Unrecht für alle, bitte schön. Da kann sich die deutsche Bundesregierung kopfstellen, kann Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Claudia Roth und den deutschen Botschafter nacheinander mit Gnadenappellen in die Spur schicken und noch amnesty international obendrauf – die Vereinigten Staaten von Amerika töten schlußendlich doch, wen sie wollen.

Internationaler Protest, so hat es den Anschein, stärkt in den USA eher den Willen, einen nationalen Spleen souverän gegen Eingriffe von außen zu schützen. Nationale Eigenarten wie Waffentragen und Leute-umbringen-Lassen sind als Kulturgüter selbstverständlich schützenswert, das muß man verstehen. So wie auch die Gouverneurin von Arizona durchaus Verständnis dafür zeigte, daß sich die Bundesregierung für die verurteilten Brüder einsetzt. Und sie trotzdem töten läßt, im Namen von Recht und Gesetz.

Da gilt jede Gnade als Schwäche, jedes Zurückweichen als Opportunismus. Die Justiz, der durchsetzungsfähige Staat beweisen sich in ihrer Fähigkeit zu töten. Die USA von diesem vordemokratischen Gesellschaftsverständnis abzubringen kann nur Sache der US-Gesellschaft selbst sein, hier lassen sich die Amerikaner von niemand reinreden. Bewegung gibt es längst, auch wenn die noch nicht reicht, um einen Kurswechsel herbeizuführen.

Präsident Clinton hat zu Beginn seiner ersten Amtszeit zu spüren bekommen, wie schwierig es ist, in ideologisch besetzten Grundfragen der US-Gesellschaft Veränderungen zu erreichen. Allerdings sah er sich mit einer aufstrebenden „konservativen Revolution“ im Kongreß konfrontiert, angeführt von Speaker Newt Gingrich. Die ist vorbei. Das Pendel, das die Wertediskussion in den USA nun über viele Jahre weit nach rechts hat ausschlagen lassen, ist auf dem Rückweg Richtung Mitte. Es kann dauern, bis sich das auch auf eine veränderte Position bei der Todesstrafe auswirkt. Bis dahin bleibt der zivilisierten Welt nur Abscheu. Für die Brüder LaGrand kommt das jedenfalls zu spät. Bernd Pickert

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